: Kommt es zum Angriff auf Duschanbe?
■ Führung Tadschikistans will russische Friedenstruppe
Moskau (taz) – Der Kommandeur der russischen Division in Tadschikistan, General Aschurow, erteilte gestern seinen Soldaten den Befehl, im Fall einer Bedrohung ohne Warnung das Feuer zu eröffnen. Am Vortag war erneut ein russischer Armeeangehöriger erschossen worden. Die Kämpfe in Tadschikistan haben sich verschärft, nachdem Bemühungen der GUS-Staaten scheiterten, eine Friedenstruppe in das Bürgerkriegsland zu entsenden.
Die provisorische Regierung in Duschanbe unter Akbar Iskandarow scheint die Lage im Land immer weniger im Griff zu haben. Am Wochenende wurde ein Sicherheitsrat gegründet, der Kontakte mit der feindlichen Partei der Kuljabzen aufnehmen soll. Die Kuljabzen stammen aus dem Südwesten des Landes. Ihr Clan zählte zu den begünstigten des ehemaligen Präsidenten und Altkommunisten Nabijew, dessen Rücktritt die Opposition im September erzwang. Die Opposition in Duschanbe setzt sich aus Vertretern der Islamischen Wiedergeburtspartei und anderer sogenannter demokratischer Bewegungen zusammen. Sie rekrutieren sich vornehmlich aus dem zentralen Verwaltungsbezirk Tadschikistan, in dem die Hauptstadt liegt, der aber nach dem Ort Garm benannt wird. Weshalb man in Tadschikistan von einem Krieg der Kuljabzen gegen die Garmer spricht. Die Kuljabzen konnten den Widerstand in der lange umkämpften Region Kurgan-Tjube im Südosten der Hauptstadt brechen und bewegen sich weiter Richtung Duschanbe vor. In der Stadt Javan, 30 Kilometer vor den Toren Duschanbes, wurden vorgestern Angehörige eines der Vorsitzenden der Islamischen Partei, Dulat Osman, getötet.
Die Kommandeure der Kuljabzen, einige von ihnen einschlägige Kriminelle wie Sangak Safarow, haben öffentlich geschworen, „antisowjetische Moslems“ zu vernichten. Im Frühjahr hatte Nabijew durch eine Amnestie Schwerverbrecher begnadigt, um sie zu paramilitärischen Freischärlern zu machen. Aber auch die Gegenseite soll nicht zögern, kriminelle Elemente zu rekrutieren. Beide Seiten werfen Moskau vor, den Gegner mit Waffen zu beliefern. Rußland bestreitet dies. Seine Truppen kontrollieren das Gebiet zum benachbarten Afghanistan, das weithin als die wichtigste Waffenquelle gilt. Die Nordprovinz Chodschend plädiert dagegen inzwischen – ebenso wie auch die Führung des Landes – für eine russische Friedenstruppe. Seit Jahrzehnten haben die Clans des Nordens Tadschikistan beherrscht und dabei keine Skrupel gegenüber rußlandfreundlichen Kommunisten gezeigt. Im jetzigen Konflikt gilt ihre Sympathie den Kuljabzen. Aus den Kämpfen halten sie sich jedoch heraus. Klaus-Helge Donath
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen