: Giftige Seefahrt
■ Alles Matjes im JAK / Uraufführung der schwarzen Öko-Komödie auf Kampnagel, die Jürgen Zielinski inszenierte
im JAK/Uraufführung der schwarzen Öko-Komödie auf Kampnagel, die Jürgen Zielinski inszenierte
Der Matrose kotzt aus dem Bulleye, der Frachter stampft durch das tropische Meer, die „Matjes“ ist ein Schrotthaufen. Vier Mann und eine Frau sind die Passagiere einer Seefahrt, die alles andere als lustig ist. Sie wissen es anfangs noch nicht - sie würden es auch gar nicht wahrhaben wollen: Ihre Tage sind gezählt. Rostige Tonnen liegen auf Deck. Die giftige Fracht läßt den Matrosen die Fische füttern.
Alles Matjes - oder: Es ist doch gar nichts passiert, das Öko-Endspiel des Schweizers Peter-Adrian Cohen wurde am Freitag im Jugendtheater auf Kampnagel (JAK) in der Inszenierung Jürgen Zielinskis uraufgeführt. „Fässer anstreichen und Sirup draufschreiben“, befiehlt der Käpt'n - als echter Dreckskerl: Jannis Zoidis - dem Matrosen und dem Maat. Die Urlauber Doktor Fliegenschuh und seine Krankenschwester Diesel, sollen sich nicht beunruhigen. Obwohl der Tod lauert, sind alle, einschließlich Frau Diesel, die möglichst schnell ihren Chef beerben will, gierig auf ihren Vorteil. Doch sie werden nie mehr an Land kommen, weil sie in keinem Land anlegen dürfen, und zurück geht es nicht. Das Ende des Chaos setzt der chemikalische Showdown, aus dem die beiden letzten Überlebenden der „Matjes“, der Maat Jupp und Fliegenschuh, nur noch als bunte Bläschen aufsteigen.
Alles Matjes... ist kein ökologisches Lehrstück, sondern eine
1schwarze Slapstick-Komödie, die mit dem Schrecken spielt und lustiger ist als ein Zombiefilm, wenn die Untoten mit den Köpfen kegeln. Drastisch-komisch agieren die Leute an Deck. Erik Schäffler protzt als Maat mit Saft und Kraft im großmaschigen Netzhemd. Kein Wunder, daß die Diesel - totkomisch und immer auf Draht: Ursula Berlinghof - ein Auge auf ihn wirft. Die Karikatur des doppelzüngigen Doktors spielt der zappelige Reinhard Krökel, und Melado, den kotzenden Matrosen, zeigt in kunstvoll schlacksiger Anti-Seemannsmanier Stefan Mehren. Die von Stefan Ahrens eingerichtete Bühne versprüht den Flair von Schrott und Gift. Im Maschinenraum sind die
1fünf Musiker untergebracht, die das Schiff akustisch mit Posaunen und Drumcomputer in Bewegung halten. Auf Deck und Brücke schwanken Reling und Mast, daß die Crew gut zu turnen hat. Zielinski ist wieder mal mit geradezu sportlichem Ehrgeiz, den er auch von seinem Ensemble verlangt, ans Werk gegangen. Mimen, Musik und Bühnenbild lassen den Frachter schlingern, und ein Schaustück der Bühnentechnik ist am Ende das s(t)inkende Schiff. Eine geglückte Jungfernfahrt der „Matjes“ auf Kampnagel, wo Altlasten ja vermutlich noch sicher im Boden liegen. jk
Zur Nachbereitung gibt es ein Materialienheft. Die nächsten Vorstellungen sind am 24., 25., 30.10.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen