: Kampf der Clans in Tadschikistan
Anhänger des vertriebenen Präsidenten Nabijew besetzten die Hauptstadt/ Kuljabzen fordern die alte Ordnung/ Übergangspräsident Iskandarow floh in Russenkaserne ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath
Bewaffnete Einheiten des vor einem Monat aus dem Amt vertriebenen Präsidenten Rachmon Nabijew haben am Wochenende in einer blutigen Schlacht die Macht in Duschanbe wieder an sich gerissen. Mit Hilfe von Panzern stürmten sie das Parlament und den Präsidentenpalast im Zentrum der tadschikischen Hauptstadt. Der ehemalige Parlamentssprecher und enge Vertraute Nabijews, Safarali Kenjajew, soll den Angriff geleitet haben. Kurz nach Einnahme der strategischen Punkte kündigte er an, Nabijew werde das alte Parlament unter seinem Vorsitz zusammenrufen. Inzwischen hat Nabijew bestätigt, wenn man ihn rufe, stünde er als Präsident wieder zur Verfügung.
Rustam Abdurachimow, Rebellenführer der siegreichen Kuljabzen aus Südtadschikistan, stellte Kenjajew bei seiner ersten Radioansprache schon als den „Parlamentsvorsitzenden und Präsidenten der Republik Tadschikistan“ vor. Gerüchte machen die Runde, Kenjajew hege selbst Ambitionen auf das Präsidentenamt. Kenjajew war eine der Schlüsselfiguren, deren Rücktritt die Opposition ultimativ gefordert hatte.
Es ist die dritte Rückkehr Nabijews ins Präsidentenamt, nachdem Ex-Präsident Gorbatschow den kommunistischen Hardliner 1985 von seinen Verpflichtungen zum erstenmal entbunden hatte. Aus Mangel an Alternativkandidaten der tadschikischen Nomenklatura kandidierte Nabijew erneut für den Präsidentenposten im letzten Jahr. Beobachter hielten die hohe Zustimmung damals für getürkt.
Im September übernahm dann eine brüchige Koalition aus Vertretern der sogenannten demokratischen Öffentlichkeit und der „Islamischen Wiedergeburtspartei“ nach einem relativ unblutigen Putsch die Macht in der ärmsten der ehemaligen Sowjetrepubliken. Ihr geschäftsführender Präsident, Abarscho Iskandarow, floh gestern in die Kaserne der 201. Russischen Division, die noch in Duschanbe stationiert ist.
Die russischen Einheiten sollen bisher in die Kämpfe nicht eingegegriffen und nur wichtige strategische Punkte wie das Fernsehzentrum unter Kontrolle genommen haben. Dabei ist Rußland an Ruhe in dieser Region mehr als interessiert. Beunruhigt schaut Moskau auf die unkontrollierbare Grenze zwischen Tadschikistan und Afghanistan, über die ein schwunghafter Waffenhandel laufen soll. Zunehmend klagte Moskau in jüngster Vergangenheit über Repressionen gegen die russischsprachige Bevölkerung. Tausende Menschen haben Tadschikistan schon verlassen.
Wenn es auch nicht öffentlich gemacht wird, so scheinen die Sympathien der russischen Soldaten bei den Truppen Nabijews zu liegen: „Wenn Leute Safarows hier sind, müssen wir keine Angst um unsere Familien haben. Selbst wenn Kämpfer in unsere Häuser gehen“, meinten russische Offiziere einstimmig. Sangak Safarow ist einer der legendären Anführer der Kuljabzen mit kriminellem Hintergrund. Traditionell unterstützte der wohlhabendere Norden um Chogschend (Leninabad) die Clans im Kuljab. Der Norden stellte in den 60 Jahren Sowjetherrschaft jede Führungsfigur in der Republik. Auch Nabijews Hausmacht stammt aus dem Norden. Auf der anderen Seite stehen die Clans aus der Umgebung Duschanbes. Sie nennen sich Garmer nach der gleichnamigen Provinzstadt.
Der blutrünstige Kampf in dem Bergstaat wird noch lange kein Ende nehmen. Denn mittlerweile hat kaum jemand noch einen Überblick über die beteiligten Parteien. Vielfach wird nur Blutrache geübt. Ein Korrespondent von Radio Svoboda kommentierte die Fehden: „Ungehorsam der Soldaten, Unverantwortlichkeit und Hinterhältigkeit ihrer Kommandeure, die Vielzahl der Kriegsparteien vervollständigen das Chaos und die Machtlosigkeit und führen zu unsinniger Brutalität...“
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