: „Frauen lieben das Wagnis“
Mädchen- und Frauensportwoche in Hamburg: „Positiver Imagetransfer“ soll Frauen organisierten Sport schmackhaft machen ■ Von Helen Harper und Kai Rehländer
Hamburg (taz) – Zwischen Afrikanischem Tanz und Yoga liegen 16 Seiten, bestückt mit 85 Workshops. Ausschließlich für Frauen. Das Programm der 2. Mädchen- und Frauensportwoche des Hamburger Sport-Bundes (HSB), in Kooperation mit Sportvereinen und Verbänden entstanden, ist die derzeitige Lieblingslektüre sportambitionierter Hanseatinnen. Die Renner der vor einer Woche begonnenen 10-Tage-Aktion sind, neben Tanzworkshops, im Bereich der Sportarten anzusiedeln, in denen in Sportvereinen Männer dominieren. Das leider doch nicht angebotene „Emma-Peel-Pack“ (Kleinkaliberschießen, Fallschirmspringen und Karate) wäre der Smash-Hit der Woche geworden. Aber auch diese drei Einzeldisziplinen sind überlaufen, und „es konnten innerhalb kürzester Zeit keine Interessentinnen mehr auf die Wartelisten gesetzt werden“, versichert Astrid Mehrer, Mitorganisatorin der Aktion.
Neue Angebote wie Sport- oder Bogenschießen und winterspezifische Sportarten, Eishockey und Eislauf, vervollständigen die Liste der Schlagerangebote im Rahmen des Frauensportprojektes. Vorlieben, die erstaunen, wenn man den statistischen, vom HSB veröffentlichten Erhebungen glauben schenkt. Die Tabellen weisen lediglich einen Frauenanteil von 36 Prozent im organisierten Sport aus, der sich überwiegend im traditionell weiblichen Turn- und Tanzbereich konzentriert.
„Frauen scheinen das Wagnis zu lieben, sie wollen experimentieren“, resümiert Astrid Mehrer konträr zur Statistik während der Halbzeit der Frauensportwoche. Daß derlei Leidenschaften auch in Sportvereinen zu befriedigen sein sollen, scheint nicht nur für viele der 3.500 durch die Aktion bewegten Frauen unglaublich. Derzeit ist der weibliche Teil der Bevölkerung mit innovativer Bewegungslust eher bereit, Geld in autonome Frauensportprojekte oder in Angebote kommerzieller Anbieter zu investieren, als einem, oft wesentlich billigeren, Sportverein beizutreten.
Mit „positivem Imagetransfer“ will HSB-Hauptgeschäftsführer Jürgen Marten, der sich von der medienwirksamen Aktion die Verbreitung des Bildes „eines jungen dynamischen Sportbundes“ wünscht, die weibliche Zielgruppe in die Vereine lenken. Auch die ehrenamtliche Vereinsarbeit soll schmackhaft gemacht werden. Denn: In der ehrenamtlichen Vereins- und Verbandsarbeit sind Frauen ebenfalls unterrepräsentiert. Woran das liegt, dafür hat zumindest Willi Daume, Präsident des NOK, eine erstaunlich einfache Begründung: „Frauen sind ja zumeist Hausfrauen, die haben in dem Sinne keine Freizeit, in der sie im Verein arbeiten können. Auch im NOK haben wir nur eine Frau im Vorstand.“ Soweit Herr Daume, der der Frauensportwoche bescheinigt, daß sie zumindest gut gemeint und von der Sache her nützlich sei. Schließlich kämen Mitglieder nicht vom Himmel geflogen. Auch nicht für den bisher eher nicht für sportliche Innovationen bekannten HSB. Und der soll, wenn es nach dem smarten Ex- Leichtathleten Jürgen Marten geht, ein Begriff in Hamburg werden. Ein langer Weg – vermuten doch viele HanseatInnen hinter dem Kürzel HSB Sportentferntes wie beispielsweise „Hamburger Sozialistischer Bund“.
Bildungsarbeit der oben genannten Art scheint den Organisatorinnen des Frauenbewegungsprojektes, zwei Sportstudentinnen mit 30stündigen Honorarverträgen, nicht so sehr am Herzen zu liegen wie der Geschäftsführung. Ihnen geht es darum, Frauen einen unverbindlichen (Wieder-)Einstieg in den Sport zu ermöglichen und sie zur Mitarbeit in den Verbänden und Vereinen, also zur Mitgestaltung der Sportstrukturen, zu inspirieren. Ob das 10-Tage-Projekt diesen Ansprüchen gerecht werden kann und wo die Bedürfnisse von Frauen im Sport liegen, sind Fragen, die Hamburger Sportstudentinnen innerhalb einer wissenschaftlichen Begleitung der Frauensportwoche bearbeiten werden. Anklang findet das Konzept – neben den Workshops werden auch zehn Diskussionsforen, eine Filmreihe, ein Frauensport- und Kulturfest sowie kostenlose Schnupperangebote in bereits laufende Frauensportkurse Hamburger Vereine angeboten – in jedem Fall. In Köln fand vor zwei Wochen, in Anlehnung an das Hamburger Modell, ein Tag „Frauen in Bewegung“ statt, die Landessportbünde Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen planen ähnliche Projekte. Und auch aus der Schweiz und aus den Niederlanden wurde Interesse am Hamburger Konzept bekundet.
Ob es in Hamburg eine dritte Frauensportwoche geben wird, ist derzeit jedoch noch ungeklärt, das Projekt wurde bisher nicht institutionalisiert.
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