Village Voice: Kurzformeln wider den Energieverlust
■ Auf dem langen Weg zur Bestform: »Maniegg« von Eggmen Five
Die Betreiber Berliner Label seufzen. Rezession, steigende CD-Preise und Desinteresse der alten Käufergruppen machen die Geschäftsführung schwer. Auch das traditionsreiche Vielklang- Label mit seinen vielen Sublabels muß mittlerweile auf die Mark achten. Firmeneigenes Studio und Merchandising werfen allerdings noch so viel ab, daß der Gründung eines neuen Labels nichts im Wege stand: unter Regie von Doro Peters, die im Café Swing den lokalen Nachwuchs fördert, ist „Stars in the Dark“ entstanden. Erstes Aushängeschild sind Eggmen Five.
„Maniegg“, das Debütalbum der Band, die sich im Namen auf ein Stück von John Lennon bezieht, hatte seine Berliner Premiere neulich auf dem „Rocktober-Fest“ im Huxley's. Kein Rahmen hätte unpassender sein können. Denn mit dem matten Humor der Wettbewerbe im Biertrinken und Weißwurstessen sowie mit der hilflosen Stimmungsmache der zahlreich erschienen Nachwuchskapellen hatten die eher harten Töne der Eggmen nichts gemein.
„Maniegg“, nicht gerade der einfallsreichste Titel, spricht immerhin für sich. Mit Bass, Schlagzeug und zwei Gitarren haben Eggmen Five dreizehn dichte Songs eingespielt, die unter Hardcore firmieren könnten. Es mischen sich darin aber auch die Stile, und an manchen Stellen ist eine vage Verwandtschaft mit Punk zu erkennen. Selbstverständlich gehören auch melodiöse Balladen in das Repertoire einer Band, die sich erwähntem Genre – wenn es denn eins ist – verschrieben hat. In einem melancholischen Stück wie „Sorry“ macht sich einnehmend bemerkbar, daß die Muttersprache von Sänger John H. Panama Englisch ist. Selbst wenn Panama für die wenigsten Stücke allein verantwortlich ist, können die fünf wohl aufgrund dieses Umstands sprachliche Entgleisungen vermeiden: vor allem, wenn es, wie in „Kiss the Dirt“ um schleichende, schreckliche Gefühle geht, bedienen sich Eggmen Five umgangssprachlicher Formeln, die mehr ausdrücken, als große Metaphern.
Alltagsklischees sind fester Bestandteil der kurzen, fast lieblosen Strophen. Das perspektivlose Musikerdasein inklusive drogen- und alkoholumnebeltem Bewußtsein, nur dann und wann von geschmacklosen Parties unterbrochen und Standardthema im Rock, beherrscht das ganze Album. Jedem Exzess folgen unweigerlich Kater und Sinnkrise, Trübnisse, denen weder schale Erfolge noch Mißerfolge beim anderen Geschlecht eine Ende bereiten können. Bloß hier und da, wie in „Surf City Baby“ oder dem krachenden „Change your Ways“, sind ironische Untertöne zu vernehmen, die dann doch Zweifel wecken, ob Eggmen Five diese Botschaften ernst meinen: „They told me i'm the chosen 1 to bless the world with stupid songs“.
Live-Auftritte der Band geben dieser Annahme recht. Selbstbewußt und zurückhaltend zugleich geben Eggmen Five ihr Programm zum besten, verzichten, egal ob in intimem Kreise (wie im Swing) oder im großen Saal des Huxley's, auf jede Mätzchen. Als ob sie wüßten, daß sie ihre Bestform noch nicht erreicht haben und deshalb langsam, aber stetig und ohne Energieverlust ihren Weg machen müssen. Claudia Wahjudi
„Maniegg“ auf Vielklang/EFA LP/CD 03201-08/26
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