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Flaute im Bremer Hafen

■ Immer mehr Kurzarbeiter und Frührentner in den Hafenbetrieben / Kein Land in Sicht

Foto: Katja Heddinga

Während Senator Uwe Beckmeyer von der Renaissance der stadtbremischen Häfen träumt und sein Pressesprecher von einem „bombigen Jahr 1991“ für die Häfen schwärmt, meldet das Arbeitsamt für den Monat Oktober: Kurzarbeit in den Bremer Häfen. An die 500 Hafenarbeiter mußten danach an bestimmten Werktagen zu Hause bleiben. eine Zahl, die noch zu niedrig gegriffen sein dürte, vermutet Jochen Schramm, Beriebsrat der Stauerei Sundmäker: „Es sieht chaotisch aus.“

Bei der Bremer Lagerhausgesellschaft — noch — keine Kurzarbeit, melden Pressestelle und Betriebsrat übereinstimmend. 300 gewerbliche ArbeitnehmerInnen hat die BLG in diesem Jahr auf eigenen Wunsch in den vorzeitigen Ruhestand entlassen, teilt BLG-Pressesprecher Hartmut Schwerdtfeger mit. Von Frühverrentungen berichten auch die Betriebsräte der Umschlagbetriebe Rhenus und Bachmann.

Vorzeitige Ruheständler auch beim Gesamthafenbetriebsverein, einem Zusammenschluß von 200 im Hafen angesiedelten Betrieben. Doch die 45 freiwilligen Frühverrentungen haben nicht gereicht. Jetzt arbeiten auch 250 bis 300 von insgesamt 600 Kollegen kurz, teilt GHB-Betriebsrat Günter Spanjer mit. Den GHB trifft die „Krise im Hafen“, von der die Betriebsräte übereinstimmend Zeugnis geben, am härtesten.

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Foto mit den Hafenkränen

Diese legale Arbeitnehmerüberlassung leiht ihre Arbeiter in Spitzenzeiten an andere Firmen im Hafen aus. Bei Auftragsflauten erhalten die Arbeiter des GHB ihr Geld aus der Garantielohnkasse, in die alle Hafenbetriebe und die Stadt Bremen einzahlen. Seit der Osthandel mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion niederliegt, habe es im Hafen „erhebliche Beschäftigungseinbrüche“ gegeben, ist Betriebsrat Günter Spanjers Erklärung für die Krise. Am tiefsten treffe es die Häfen im Bremer Stadtbezirk. Der Containerumschlag in Bremerhaven hingegen floriere.

Für die BLG bedeutete das Geschäft mit den Stahlrohren und Industrieanlagen für die Sowjetunion sichere Arbeitsplätze, da dieses „konventionelle Stückgut“ viele Handgriffe benötigt, bis es verladen ist. 20 Prozent der Arbeitsplätze, schätzt Hartmut Mecklenburg, Betriebsratsvorsitzender der BLG, hingen am Ost-Geschäft. Ein Ausgleich für das ausgefallene Geschäft mit der Suwjetunion sei nicht in Sicht - „auch nicht in Ansätzen“. Da die Häfen der übrigen Wirtschaftsentwicklung um mindestens ein Vierteljahr hinterherhinken, sei kurzfristig keine Änderung in Sicht. Die Unternehmensleitunng trage sich mit dem „Gedanken der Kurzarbeit“.

„Strukturell“ glaubt der Betriebsrat weiter an die Zukunft der bremischen Binnenhäfen. Seit sieben Jahren hat die BLG

ihr zweites Standbein im Distributionsgeschäft. Im Außenhandelszentrum lagert sie im Auftrag anderer Firmen Einzelteile und Güter und liefert sie bei Bedarf aus. 200 der insgesamt 3.700 MitarbeiterInnnen der BLG arbeiten inzwischen in der Distribution.

Unverdrossen investiert der Häfensenator in die Häfen: 30,6 Millionen Mark gibt er 1992 für

die Erhaltung der Hafenbecken aus, 28,3 Millionen Mark werden es nach Angaben des Ressorts im kommenden Jahr. Pressesprecher Rüdiger Staats gibt sich munter: Die Verluste im Ostgeschäft werden durch das Fernostgeschäft ausgeglichen. Von Kurzarbeit im Hafen weiß der Pressesprecher nichts.

Diemut Roether

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