: Berliner Schüler als UNO-Botschafter
■ Politik im Rollenspiel begreifen
Berlin. Stefan und Lars sind Butros Ghali in einer Person. Der Irak-Vertreter verwaltet die Filzstifte, Lars fordert den Libanon- Vertreter auf, die Mütze abzunehmen, damit die Sitzung beginnen kann. Stefan ruft den Vertreter Albaniens auf, die erste Eröffnungsrede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen zu halten.
57 Schüler aus allen Berliner Bezirken debattierten gestern in englisch auf der ersten Berliner Konferenz zum „Modell Vereinte Nationen“ über die Situation der Flüchtlinge im ehemaligen Jugoslawien. Als Vorbild diente ihnen das „Model United Nations“ aus den USA, bei dem Schüler im Rollenspiel die Konflikte der Welt begreifen lernen.
Jeder hatte ein Land gelost und sich in dessen Standpunkt zur Flüchtlingsproblematik eingearbeitet. Den Kanada-Vertreter beschäftigte zunächst ein anderes Problem. Der Vertreter Libyens hatte ihm auf einem Zettel mitgeteilt, daß er ein häßliches T-Shirt anhabe. Der Vorsitzende ermahnte die Vollversammlung, über Probleme und nicht über Personen zu diskutieren.
Anderthalb Stunden dauerten die Eröffnungsreden, jedes Land mußte in 45 Sekunden seinen Standpunkt darlegen. Das Lobbying begann: Mit wem kann man sich zusammentun? Die islamischen Länder bekundeten ihre Solidarität mit den moslemischen Flüchtlingen in Bosnien-Herzegowina. Frankreich zeigte sich wegen der rechtsradikalen Tendenzen in Deutschland besorgt. Die ost- und südeuropäischen Länder riefen zum Waffenstillstand im ehemaligen Jugoslawien auf. Der Vertreter Kroatiens versuchte, die Debatte zu verzögern, mal sollten die Fenster auf-, mal zugemacht werden. Auf jeden Fall lernten die Schüler, wie kompliziert Demokratie sein kann. Dabei, so meinte Stefan, waren die Schüler motivierter als die Politiker. Er war einmal in der EG in Genf gewesen und hatte gesehen, wie die Vertreter mehr schlafen als arbeiten würden. mal
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