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Supermann geht, Supermann kommt

■ Von der „Super“-Zusammenarbeit mit BR-Chefredakteur Heinz Klaus Mertes und der rechten Gesinnung in der Personalpolitik des Bayerischen Rundfunks

„Wallraff und seine Stasi-Kontakte? Kann ich mich nicht mehr erinnern, ob das über meinen Schreibtisch lief.“ Der bundesweite Wirbel um die falschen Beschuldigungen von Super gegen Schriftsteller Günter Wallraff war wohl zu dürftig ausgefallen, als daß sich Michael Schwilk noch an Details erinnern könnte. Ein ganzes Jahr hat Schwilk das Ressort Politik und Wirtschaft beim inzwischen eingestellten Sensationsblatt Super geleitet, jetzt sitzt er in München-Freimann in der „Report“- Fernsehredaktion des Bayerischen Rundfunks (BR). Ein selbstverständlicher Wechsel?

Nicht den Wechsel selbst, sondern die Fragen nach dem neuen Mitarbeiter findet BR-Chefredakteur Heinz Klaus Mertes unseriös. Mertes hat den ehemaligen Bildzeitungs-Reporter selbst geholt. Probeweise, wie er sagt. Intern verlautete Pläne, Schwilk sei Nachfolger von Redakteur Peter Althammer, dessen Schreibtisch er bereits übernommen hat, weist Mertes zurück: Schwilk recherchiere lediglich einen Beitrag über Müll, von dem man noch nicht wisse, ob er überhaupt gesendet werde. Außerdem, so Mertes, hatte Super „die besten Reporter. Ich weiß gar nicht, was Sie haben. Auch die Münchner Abendzeitung beschäftigt solche Leute“.

Dabei liegt der Zusammenhang auf der Hand. Mertes, der sich gerne als Kämpfer „wider das Wallraffen“ darstellen läßt, war im Februar mal wieder allen vorausgewesen: In der Schaltkonferenz der ARD-Chefs hatte der BR- Chefredakteur verkündet, Super habe Wallraffs Stasi-Kontakte aufgedeckt. Mertes wollte dazu einen Kommentar in den „Tagesthemen“ sprechen, doch keiner der Kollegen hatte die Nachricht gesehen. Mertes beruhigte die Kollegen, sie sei soeben über Agentur gelaufen – zu einem Zeitpunkt, als Super das Telex noch gar nicht abgeschickt hatte. Als Mertes darauf aufmerksam gemacht wurde, hatte er laut einem Augenzeugenbericht eine Mitarbeiterin angewiesen, sie solle doch mal hochtelefonieren, damit das rausgehe. Punkt 14.13 Uhr tickerte die Meldung dann los, frühestens zehn Minuten später konnte sie auf Mertes' Tisch liegen. Als erste Agentur hatte ddp erst um 15.01 Uhr berichtet.

„Die Details über die Stasi- Kontakte Wallraffs, die die ostdeutsche Zeitung Super ausbreitet, sind jedenfalls konkreter und nachprüfbarer als das meiste, was der Auflagenmacher in seinen Reportagen je vorweisen konnte.“ So hatte der BR-Chefredakteur in seinem Kommentar geurteilt. Wie berichtet, hat der Kronzeuge von Super in der vergangenen Woche nun alle Beschuldigungen gegen Wallraff widerrufen; die Zeitung habe ihm falsche und wahrheitswidrige Zitate untergeschoben, sagte er vor Gericht.

Mertes, gegen den die Münchner Staatsanwaltschaft in anderer Sache seit über einem Jahr wegen Falschaussage ermittelt, hatte später jede Zusammenarbeit mit Super in diesem Fall dementiert. Er habe sich lediglich auf die Agenturmeldung gestützt, die klar und „so genau formuliert“ gewesen sei, daß sich Zweifel erübrigt hätten. Außerdem habe er sich in den „Tagesthemen“ „wenig an die tagesaktuelle Lage gehängt und statt dessen eine Positionierung Wallraffs als Medienphänomen und seiner Glaubwürdigkeit gegeben, wo ich wirklich eingearbeitet bin. Hart, aber klar. Inhaltlich fast identisch mit dem Rücktitel meines Buches vor fünf Jahren“, sagte er im Februar auf Anfrage.

Wer Schwilks neuen Platz beim Bayerischen Rundfunk schon nicht als Zeichen einer fragwürdigen Zusammenarbeit werten will, der mag darin wenigstens BR-typische Personalpolitik erkennen und sich fragen, wieviel Altlast nach dem geplanten Weggang von Mertes zu Sat.1 in Freimann verbleibt: „Es gibt keinen Hauptabteilungsleiter, der nicht massiv CSU ist“, sagt ein langjähriger BR-Redakteur. „Mertes hat fast ausnahmslos ihm treu ergebene Gehilfen auf diese Positionen gedrückt. Früher wurde in den Konferenzen wenigstens noch diskutiert. Heute gibt es Kritik nicht mehr. Kritische Mitarbeiter haben resigniert und sich zurückgezogen.“

Liberale Redakteure haben sich mehr auf außen- denn innenpolitische Themen verlegt, verdiente Auslandskorrespondenten finden sich nach ihrer Rückkehr in der Regel ohne Schreibtisch und Aufgabe wieder. So ging es Chefreporter Dagobert Lindlau, so ging es Balkan-Korrespondent Andreas Weiß, so ging es Friedhelm Brebeck. „Dieses Haus hat jahrelang den Sozialismus angeprangert. Gerade hier aber wird seit Jahrzehnten Sozialismus in Reinkultur praktiziert“, sagt Sonderkorrespondent Brebeck.

Innenpolitisch habe Mertes das Sagen: Bis zur Wahl zum Chefredakteur hat er „Report“ geleitet und entgegen einer Absprache mit Intendant Albert Scharf bis zuletzt moderiert. Fast ausnahmslos zählt bei „Report“ nicht journalistische Qualität, sondern blinde Ergebenheit und die rechte politische Gesinnung. Neben Redaktionsleiter Andreas Bönte trifft dies besonders auch auf Michael Mandlik und Brigitte Abold zu. Einzig Klaus Wiendl gilt als kritisch gegenüber Mertes' Weisungen. Mandliks Qualifikation besteht vor allem darin, daß er wie Mertes und Sat.1-Chefredakteur Michael Rutz ehemals Referent des Rundfunkratsvorsitzenden Wilhelm Fritz (zugleich die graue Eminenz in Sachen BR-Personalpolitik) war. „Report“-Redakteurin Abold moderiert das „ARD-Wirtschaftstelegramm“ und hat als Mertes' ständige Begleiterin mit ihm zusammen beispielsweise Manager gelehrt, wie man gegen lästige Journalisten vorgeht. Im Gegenzug redigiert und schreibt Mertes ihre Moderations- und Berichtstexte, heißt es in Freimann.

Kritik an der Personalpolitik ist immer auch Kritik am Intendanten: Bei der Amtsübernahme von Albert Scharf vor zwei Jahren herrschte noch Aufbruchstimmung, mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß mit jeder Neubesetzung „alles noch schlimmer als zuvor“ wird. Scharf habe trotz Einladung noch an keiner einzigen Sitzung in den Fernsehstudios in Freimann teilgenommen, heißt es. Er überlasse die Pesonalplanung lieber ganz dem Fernsehdirektor Wolf Feller.

Zu Gute gehalten wird Scharf, daß er den Sessel des Hörfunkdirektors nach dem Weggang von Udo Reiter zum MDR nicht mit einem CSU-Wunschkandidaten besetzt hat. Anders als Reiter ließ sich Ernst Emrich nicht in die CSU-Medienkommission einspannen, gilt er als „Mann der offenen Türen“. Ansonsten habe sich aber nicht viel geändert, sagt eine Hörfunk-Redakteurin. „Es wird gemauschelt und intrigiert wie zuvor. Gesinnung ist immer noch wichtiger als die Qualität der Arbeit.“

Mertes' Nachfolge soll am 1.Dezember im Fernsehausschuß geklärt werden, wenn der BR-Intendant seinen Wunschkandidaten vorschlagen wird. Als aussichtsreichster Aspirant gilt ARD-Nachrichtenchef Gerhard Fuchs, der bis zu seinem Wechsel nach Hamburg stellvertretender BR-Chefredakteur war. Im Gespräch sind auch Wolfgang Herrles vom ZDF sowie Sigmund Gottlieb, derzeit stellvertretender Chefredakteur. Zu Gottliebs Nachteilen gehört unter anderem seine Konfession: Er ist evangelisch und damit für eine leitende Position im Bayerischen Rundfunk eigentlich ungeeignet. Wer das CSU-Parteibuch besitzt, dazu katholisch und CV-Mitglied ist, der hat dagegen von jeher beste Chancen auf Führungspositionen im Bayerischen Fernsehen, das intern auch „CV weiß-blau“ tituliert wird. Als Angehörige dieser Studentenverbindung gelten beispielsweise der frühere stellvertretende BR- und jetzige Sat.1-Chefredakteur Rutz sowie Mertes und Scharf. Thomas Schuler

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