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■ OrientierungslaufSport ist Mord

Stockholm (taz) — Der schwedische Verband der Orientierungssportlerinnen und -sportler hat am Montag alle Wettkämpfe abgesagt und seinen Mitgliedern empfohlen, nicht mehr zu trainieren. Im Laufe der Woche folgten die entsprechenden Verbände in Norwegen und Dänemark diesem Beispiel. Grund für diese Maßnahme sind mysteriöse Todesfälle unter Spitzensportlern dieser Disziplin in den letzten drei Jahren. Am Wochenende war als siebter Sportler seit 1989 das schwedische Nationalmannschaftsmitglied Melker Karlsson nach einem Training tot zusammengebrochen.

Die plötzlichen Todesfälle – betroffen waren ausschließlich männliche Leistungsorientierer unter 30 Jahren – waren jeweils von der Bakterie TWAR (Taiwan acute respiratory infection) ausgelöst worden. Eine an sich harmlose Bakterie, die normalerweise nur Husten, Luftröhrenkatarrh, allenfalls eine Lungenentzündung auslösen kann.

Der Orientierungssport ist eine in Skandinavien recht beliebte Sportart, bei der sich die Läuferinnen und Läufer zu Fuß oder auf Skiern oft mehrere Tage lang anhand ausgegebener Karten im Gelände zu einem bestimmten Ziel orientieren müssen.

Es ist die einzige Sportart, bei der bislang eine so deutliche Häufung von TWAR-Todesfällen aufgetreten ist. Ake Jakobsson, Vorsitzender des schwedischen Orientierungsverbands: „Gemeinsam ist allen Todesfällen, daß es sich um Sportler handelt, die über lange Jahre hart trainiert haben.“ Nur ist ein solches hartes Training, mehrere Stunden jeden Tag, keine Besonderheit im Leistungssport, außer daß sich Training und Wettbewerbe beim Orientierungslauf im offenen Gelände, meistens in Wäldern abspielen.

Eine Ärztegruppe aus Uppsala, die seit über einem Jahr versucht, den mysteriösen Todesfällen auf die Spur zu kommen, ist bisher noch keinen wesentlichen Schritt weitergekommen. Professor Göran Friman: „Wir haben eine Enquete mit 200 der landesweit 3.000 Spitzenorientierer vorgenommen, aber noch keine Auffälligkeiten gefunden. Die verstorbenen Athleten hatten vorher nie Beschwerden, sind plötzlich tot umgefallen, Ursache: Herzstillstand.“

Eine Theorie geht dahin, daß es sich um eine Epidemie handelt, mit der sich die Orientierungssportler auf Trainingslagern gegenseitig angesteckt haben. Eine andere, daß es die spezielle körperliche Belastung der Orientierer ist, die die in ihnen schlummernde TWAR plötzlich zum Todesengel macht.

Der schwedische Orientierungsverband schließt nicht aus, alle Wettkämpfe und das offizielle Training für eine gesamte Saison einzustellen, um die Gefahr weiterer Todesfälle zu vermeiden. Ake Jakobsson: „Das Ganze ist ein richtiges Gruselszenario.“Reinhard Wolff

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