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Die Macht des Mannes ist grenzenlos

Berlins einziges Flüchtlingswohnheim für Frauen bietet seinen Bewohnerinnen Schutz vor Übergriffen Die hiesigen Gerichte erkennen geschlechtsspezifische Flüchtlingsgründe selten an  ■ Von Tanja Stidinger

Im hintersten Winkel von Lichterfelde liegt es, Berlins einziges Wohnheim für Flüchtlingsfrauen. Kein Namensschild und auch kein Briefkasten weisen darauf hin, wer hier sein Domizil hat. Bewußt gewahrte Anonymität, die Sicherheit bieten soll.

Frauen aus zwölf Nationen leben in der alten Villa auf begrenztem Raum. Rückzugsmöglichkeiten gibt es für die Frauen aus Osteuropa, Afrika und dem Nahen Osten kaum. Denn ein oder zwei von ihnen teilen sich zusammen mit ihren Kindern ein Zimmer.

Die meisten, berichtet die Heimleiterin Roswitha El Hag, waren in ihren Herkunftsländern politisch aktiv, haben Flugblätter verteilt, an Demonstrationen teilgenommen oder im Untergrund gearbeitet. Andere wurden von Schlepperorganisationen als sogenanntes „Frischfleisch“ für deutsche Freier verkauft. Wieder andere kamen mit Ehemännern, die sie mißhandelten, nach Berlin, wurden von ihren Familien verstoßen oder flüchteten vor sexistischer Verfolgung. Nicht wenige wurden gefoltert und vergewaltigt. Ein Kaleidoskop von Frauenschicksalen auf der Flucht.

Erst durch das alltägliche Zusammenleben kommen die Mißhandlungen und seelischen Wunden zum Vorschein, weiß die Heimleiterin: „Die eine Frau hatte Nierenschmerzen, bis dann herauskam, daß die Wirbelsäule von Tritten kaputt ist.“

Der 32jährigen Heimbewohnerin Afsane aus dem Iran wird die Folter lebenslänglich durch ihre Narben gegenwärtig sein. Die Medizinstudentin aus Teheran gehörte einer oppositionellen Organisation an, engagierte sich für die Rechte der Frau. Mit ihren Kommilitoninnen wurde sie verhaftet und gefoltert. „Sie haben uns mit Metallpeitschen geschlagen“, berichtet sie stockend, „und mit Teppichmessern verletzt. Die psychische Folter war am schlimmsten. Sie drohten mit Vergewaltigung und beschimpften uns als Huren.“

Geschlechtsspezifische Fluchtgründe wie Vergewaltigung, genitale Verstümmelung, sexistische Verfolgung oder sexuelle Folter werden von deutschen Gerichten nur selten anerkannt. Das gesamte Asylverfahren, so kritisieren Frauenorganisationen, ist auf Männer zugeschnitten. Und Männer sind es auch, die den Frauen als Richter, Dolmetscher und Sozialarbeiter gegenübersitzen. Viele Frauen schweigen aus Angst oder Scham. Finden sie erst später den Mut zur Aussage, werden sie als unglaubwürdig abgestempelt.

Flüchten sie mit politisch aktiven Männern, erhalten sie nach einer Scheidung nur selten eine Aufenthaltsgenehmigung. Der Tatbestand der „Sippenhaft“ in ihren Heimatländern zählt nicht. Waffa – der 31jährigen, die mit ihrem verfolgten Mann aus Ghana flüchtete und jetzt, nach der Scheidung, mit ihren drei Kindern im Frauenheim lebt – droht aus diesem Grund die Abschiebung. „Sie sagen“, so erzählt sie unter Tränen, „ich könnte doch jetzt wieder nach Ghana zurück“. Doch eben das kann sie nicht. Fast immer bedeutet Rückkehr in die Heimat soziale Isolation oder gar die Gefährdung des Lebens.

Nach den traumatischen Erlebnissen der Flucht und unter dem Eindruck eines Asylverfahrens, dessen Ausgang ungewiß ist, sehen sich die Frauen mit zusätzlichen Problemen konfrontiert. „Sexuelle Belästigung in den Unterkünften ist an der Tagesordnung. Oder sie kommen vom Ehemann grün und blau geschlagen hier an“, so die Erfahrung der Heimleiterin. Das Wachpersonal der Asylbewerberunterkünfte, Dolmetscher oder männliche Mitbewohner beteiligen sich an sexuellen Gewalttaten. Schutzlos sind die Frauen ausgeliefert, trauen sich kaum aus ihrem Zimmer, geraten immer tiefer in die Isolation.

Afsane brach aus diesem Teufelskreis aus. Nach der gemeinsamen Flucht mit Ehemann und Kindern, reichte sie in Deutschland die Scheidung ein: „Jeden Tag mußte ich meinen Mann mit Hilfe der Polizei aus dem Heim werfen lassen. Er verkraftet die Trennung nicht, will mich töten und die Kinder entführen. Ich habe große Angst.“ Im gemischten Heim war sie nicht mehr sicher. Im Frauenheim teilt sie ihr Schicksal mit anderen.

Roswitha El Hag ist überzeugt, daß viele Flüchtlingsfrauen aus Angst vor Kindesentführung bei ihren gewalttätigen Ehemännern bleiben. Über ihre Möglichkeiten oder die Existenz des Frauenhauses werden sie nur schlecht informiert. „Würde man das Problem publik machen“, so die Heimleiterin, „müßte man mehr Frauenhäuser dieser Art eröffnen. Und das will man wohl nicht.“

Im Haus selbst setzt man auf Hilfe zur Selbsthilfe: „Wir wollen, daß sich die Frauen auf ihre eigenen Beine stellen.“ Das Konzept geht auf, doch die Arbeit fällt nicht immer leicht. Nur etwa ein Prozent der im Heim lebenden Frauen werden als politische Flüchtlinge anerkannt, der Rest aus „humanitären Gründen“ geduldet oder abgeschoben. „Das politische Bewußtsein für die Situation dieser Frauen muß sich ändern. Sie müssen und sollen aus frauenspezifischen Gründen in Deutschland bleiben“, betont Roswitha El Hag.

Berechtigte Forderungen, deren Verwirklichung angesichts der derzeitigen politischen Stimmung in weite Ferne gerückt ist.

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