: Der DAB als Arbeitgeber
■ ABM-Kraft sollte gekündigt werden, weil sie oft eine halbe Stunde zu spät kam
„Ich kann nicht verstehen, warum Ausländer nicht integrationsfähig sein sollen“, merkte Arbeitsrichter Zwanziger an. Keine Miene verzog er, als er von dem „beeindruckenden Regelwerk“ sprach: Eine Grafikerin, deren ABM-Stelle Mitte Dezember ausläuft, stand gestern vor dem Arbeitsgericht, weil sie gegen die „organisatorischen Regelungen“ des Dachverband der Ausländer-Kulturvereine (DAB) verstieß und daher gekündigt werden sollte.
Das Fehlverhalten der alleinerziehenden Mutter: Sie ist im Jahresdurchschnitt täglich 15-30 Minuten zu spät gekommen oder zu früh gegangen. Kaum vorstellbar ist, wie sie sich vier Wochen lang mit der nicht gerade aufwendigen Gestaltung der 30 oder 40 Seiten des DAB-Heftes „Stimme“ sinnvoll hätte beschäftigen können — aber das spielt vor dem Arbeitsgericht keine Rolle. Im Vertrag steht, daß die Arbeitszeit von 9 — 17.30 Uhr geht, und da ist eben Anwesenheit gefordert.
Natürlich ist man beim DAB solidarisch, alternativ kollektiv, per „Du“ und wahrscheinlich wegen der Sache engagiert. Bei den „organisatorischen Regelungen“, die im August an alle MitarbeiterInnen verteilt wurde, hört aber der Spaß auf: Jede MitarbeiterIn muß „Stundenzettel“ ausfüllen, in denen über „Plus-Std“ und „Minus-Std“ genau Buch geführt wird: „Um eine einheitliche Handhabung zu gewährleisten, ist ein entsprechendes Musterformular beigefügt.“ Für „Außentermine“ sind „Formblätter“ im Sekretariat abzuholen, die ausgefüllt im „Ordner Außentermine“ abzulegen sind. „Briefmarken werden im Sekretariat verwaltet“, steht da zur Vermeidung von Mißverständnissen, Fax- Briefe sind im Fax-Ordner einzutragen „und eine Kopie im Tageskopie-Ordner abzulegen“. Gleichzeitig ist aber „die Anzahl der Fotokopien ... auf das notwendigste Maß zu begrenzen“. Und so weiter.
Offenbar störte es den DAB aber gewaltig, daß die Grafikerin trotz dreier Abmahnungen diese Ordnung nicht erfüllte. Er kündigte sie — ohne Rücksicht darauf, daß sie bei vorzeitiger Kündigung ihres ABM-Vertrages ihre Arbeitslosengeldansprüche verlieren würde. Der Richter versuchte einen Vorschlag zur Güte zu machen: Warum die Betroffene nicht die letzten zwei Wochen bis zum 14.12.92 noch am Arbeitsplatz erscheinen könne. DAB-Vorsitzender Derya Mutlu blieb hart: Die Unpünktlichkeit stelle „eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens“ dar, auch zwei Wochen lang sei das dem Arbeitgeber DAB nicht zuzumuten.
Die Anwältin des DAB riet dagegen, auf den Vergleich einzugehen und der Grafikerin die Fehlstunden einfach vom Lohn abzuziehen. Derya Mutlu wollte das nicht auf seine Kappe nehmen: Bis Weihnachten hat der DAB-Vorstand Bedenkzeit, diesen „Vergleich“ noch zu widerrufen. K.W.
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