: „Nie Probleme mit der Unterordnung“
■ Prozeß gegen Penny-Crew völlig ohne Schwitzflecken / Hintergründe der Gang blieben weiter im Dunkeln
Warum sind in der Nacht zum 3.Oktober letzten Jahres in der Schwachhauser Heerstraße Brandsätze geflogen? Wieso hat niemand verhindert, daß drei junge Männer Molotow-Cocktails gegen eine Unterkunft von Asylbewerbern werfen konnten? Die Penny-Crew beschäftigt wieder einmal das Bremer Gericht. Nachdem die Attentäter vom Herbst '91 längst verurteilt sind, standen gestern fünf weitere Mitglieder der Schwachhauser Jungmännervereinigung vor dem Jugendrichter — wegen Nichtanzeige einer schweren Straftat.
Viele Fragen hätte man an die fünf haben können. Und an den einen, dessen Verfahren noch angehängt war, weil er im Frühjahr mit zwei anderen aus der Crew einen Spaziergänger mit Holzlatten malträtiert hatte. Fragen, die aber nur höchst zaghaft gestellt wurden. Jugendrichter Walter Schuck hielt sich sehr zurück. Die fünf auf der Anklagebank kamen gute sechs Stunden lang um fast jede Rechtfertigung herum.
Die Penny-Crew, seit Jahren zusammen: Am 27. und 28. September hatten sie auf einem Spielplatz zusammengesessen und darüber geredet, daß was passieren muß, „nach Hoyerswerda“. Am besten an der Asylantenvilla, wo die kurdischen Dealer wohnten. Und am 2. Oktober wurden die Brandsätze gebastelt. Einen Teil der Utensilien hatten einige sogar mitgebracht.
hierhin bitte Tils Karikatur
Aber gestern wollte sich niemand mehr so richtig erinnern: Nein, bis zum Schluß wollten sie nicht geglaubt haben, daß die ernst machen.
Sven W., 19, schon früh vor dem Richter: Körperverletzung, Sachbeschädigungen und Verwendung nationalsozialistischer Symbole. Marco G., gegen den noch zu verhandeln war, weil er mit einer Falschaussage den Chef der rechtsextramen Nationalistischen Front, Thorsten Bunk, gedeckt hatte. Der hatte mit einer Gaspistole auf einen
türkischen Wirt geschossen, weil er keine ausländerfeindlichen Parolen dulden wollte. Die hatte Alexander B., auch 19, von sich gegeben. Auch er saß gestern auf der Anklagebank.
Alexander B. hatte Glück: Er hatte zwar von den Plänen gehört, war aber beim Bastelabend nicht dabei. Die Anklage wurde fallengelassen. Blieben außerdem noch Andre P., 18, dessen Verteidiger versuchte, seinen Mandanten freizukämpfen, weil er doch an dem Abend früher gegangen war. Blieb Marcus W.,
22.
Richter Schuck meinte es gut, irgendwie. „Ich denke nicht wie der Innenminister, wir bräuchten härtere Gesetze“, sagte er. Doch wie wurde diese Verhandlung geführt? Staatsanwalt von Bock hatte noch bei Prozeßbeginn auf die Morde der vergangenen Tage abgehoben, und von welch großem Interesse es sei, zu erfahren, „wie solche Gruppen funktionieren“. Davon nichts, dazu keine Frage. Die Hintergründe der Gruppe blieben genauso im Dunkeln wie die Umstände, die die Jungen auf Haß gebracht haben. Es schien, als traute sich Richter Schuck nicht einmal, eine persönliche Frage zu stellen: „Ist denn irgendetwas Berufliches angefangen worden?“ — In solcher Sprache wurde verhandelt, Bohren mit minimalstem Kraftaufwand. Der Richter erging sich in Nichtigkeiten. Mehr als eine kurze Erklärung zum Hergang besagter Abende mußte keiner der Angeklagten abgeben. Und Richter Schuck gab gute Ratschläge zur sinnvollen Freizeitgestaltung: Alten Menschen helfen, zum Beispiel. Am Ende wollte er das Verfahren in dieser Sache sogar einstellen. Die Jugendlichen hätten sich von der Crew getrennt und Lernprozesse durchgemacht. „Es kann doch keiner sagen, das hätte er sich nicht denken können“, wurde von Bock einmal deutlicher. Und der Richter beugte sich knurrend: „Ich halte das nicht für ein jugendgemäßes Verfahren.“
Am kommenden Montag geht es weiter. Dann wird auch entschieden, wie das Gericht mit den beiden anderen Verfahren umgeht, die gestern noch erörtert wurden: Die Falschaussage und die Schlägerei. Vielleicht wird dann auch der Hintergrund der Taten ein wenig deutlicher. Zaghaft auf seine Biographie angesprochen, meinte Marco S.: „Also, wenn Sie das meinen. Ich hab nie Probleme gehabt, mich unterzuordnen.“ J.G.
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