: „Bras“ trillerte bei der Arbeitssenatorin
■ Go-in mit Transparenten und Trillerpfeifen / Arbeitssenatorin kann nur mit mehr Geld / Bescheid erzwungen
Ein gellendes Pfeifkonzert unterbrach gestern vormittag die Arbeit im Hause der Senatorin Sabine Uhl: Gut 150 MitarbeiterInnen der Bras, der „Bremer Arbeitslosen-Selbsthilfe“, waren mit Transparenten und Trillerpreifen anmarschiert, um Begleitmusik zu den laufenden Verhandlungen der Ampel-Koalition zur Bremer ABM-Politik zu machen.
Sabine Uhl stellte sich dem Protest und erklärte, die Lücken in der Finanzierung seien „gravierender als wir noch im Oktober angenommen haben“. Da hatte es einen Nachtragshaushalt gegeben, nachdem das Ressort offenbar in den Haushaltsberatungen im August keinen Überblick über die erforderlichen und zugesagten Mittel zur Aufrechterhaltung des ABM- Programms hatte. Uhl versichterte gestern, daß sie die Arbeit der Bras wichtig und interessant finde, wollte aber keine konkreten Zusagen machen. Doch heute, und das war unmittelbares Anliegen der Bras, könnten 30 Jugendliche in zwei Projekten im Bereich Bau/Holz anfangen, die erforderlichen Zusagen vom Arbeitsamt sind da — allein es fehlt an dem vom Arbeitssenator zu finanzierenden „Anleiter“. „Die Anträge wurden rechtzeitig gestellt“, erklärte Bras-Geschäftsführer Uwe Lange, „wir
Projekte-Verstopfung im Uhl'schen FlurFoto: Tristan Vankann
erwarten heute eine Klärung.“ Die könne es nicht geben, solange der Senat „mir nicht mehr Geld gibt“, versicherte Uhl.
Die DemonstrantInnen gingen eine Etage tiefer ins Zimmer 415, dort arbeitet der für die beiden Anleiter-Stellen zuständige Herr Tehler. Ein Teil der Jugendlichen drang in das Zimmer ein und baute sich vor dem Schreibtisch auf, sie trillerten
hierhin die Leute im Flur
und wiederholten ihre Forderung. „Das ist eine blöse Situation jetzt“, sagte Pressesprecher Henschen, der Unsicherheit bei dem Sachbearbeiter spürte. „Für uns auch“, schrie eine Frau irgendwo hinten. Wenigstens bis zum 31.3.93 sollte es Zusagen geben, damit die Projekte anfangen können, sagte Uwe Lange. Der Sachbearbeiter guckt in die Runde, fragt: „Ist das alles
Bras?“ Dann überlegte er kurz: „Ich mache Ihnen die beiden Bescheide heute fertig.“ Die Jugendlichen zogen ab. „Hat Spaß gemacht bei Ihnen“, rief einer. Unten vor der Tür verabredeten sie, die Transparente aufzubewahren: „Die brauchen wir jetzt alle zwei Wochen.“ „Die Politik 'Löcher stopfen'“ geht auf Dauer nicht“, befand Bras-Geschäftsführer Uwe Lange. „Ich würde mir eine stärkere Arbeitssenatorin wünschen.“ Die Projekte wissen, daß die Arbeitssenatorin die Löcher 1992 mit dem Etat von 1993 gestopft hat. Über den 31.3.1993 möchte keines der Projekte hinausdenken — bis gestern jedenfalls.
Für 90.000 Mar eine rauchen
In einem ganz anderen Sinne kann das Auto-Recyclingprojekt sich über die Arbeitssenatorin beschweren: Stolze 90.000 Mark erhalten 5 Beschäftigte dieses in Abwicklung begriffenen Projektes, das einmal 30 Arbeitslose sinnvoll beschäftigt hatte. Aufgrund der überstürzten Schließung der Auto-Recycling mußten nicht nur 10 Container sorgfältig sortierten Kunststoff auf die Deponie gekippt, sondern auch einige Verträge aus sozialen Gründen befristet verlängert werden — ohne Betriebsstätte: „Die kommen jeden Tag zu ihrem früheren Arbeitsplatz, rauchen sich eine und gehen wieder“, sagt Geschäftsführer Reidick. Bis 31.12. vorerst, inclusive Weihnachtsgeld, versteht sich.
Nach zwei Jahren ABM-Projekt soll eine kommerzielle Firma das Auto-Recycling übernehmen. In die neue Firma übernommen, was die Arbeitssenatorin versprochen hatte, wurde bisher niemand. K.W.
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