: Schriftsteller-Lehrling postwendend
■ Fernschule des Schreibens kann sich mit illustren Namen wie Michael Ende (Momo) schmücken
kann sich mit illustren Namen wie Michael Ende (Momo) schmücken
Hättest du Phantasie und Witz und Empfindung und Urteil,
Wahrlich, dir fehlte nicht viel, Wieland und Lessing zu sein. (Friedrich Schiller)
Eine Dichter-Schmiede zu sein, diesen Eindruck vermittelt das Ambiente der Schule des Schreibens wahrlich nicht. Aber schließlich be- herbergen die Büroräume inmitten
1einer Wandsbeker Gewerbesiedlung auch nur die Schaltzentrale für jene distanzüberwindende Art der Wissensvermittlung, die sich Fernunterricht nennt. Fern sind Autoren und Lektoren: zu Hause nämlich oder auf dem Weg zur Post, dem wichtigsten Vehikel für die Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern.
In nüchternen Broschüren wirbt die Axel-Andersson-Akademie in freundlich-appellativem Ton für den „Privatunterricht per Brief“. 24 Monate beträgt die unverbindliche Regelstudienzeit für den Lehrgang Belletristik — monatliche Studiengebühr 119 Mark —, die Große Schule des Schreibens ist mit 36 Monaten Lehrzeit anberaumt und etwas preiswerter. Dafür erhält der Fernstudent Lehrbücher und wird an einen der 20 „Studienleiter“ vermittelt, der seine Arbeiten korrigiert und bewertet.
Außerdem werden jährlich zehn Förderpreise im Gesamtwert von 3400 Mark ausgeschüttet: Angela L. aus Bielefeld freute sich über den 3. Preis (350 Mark). Ihr Lichtbild ist auf einem Faltblatt abgedruckt, auf dessen Rückseite ein Erfolgsautor namens Peter Biqué aus Oberursel zitiert wird, dessen Kurzprosa-Sammlung unter dem Titel „Nacht eines Trinkers“ bereits „großen Anklang gefunden hat“.
Aber daß sich, ach, über solcherlei immer herrlich spotten läßt, das weiß Michael Lammersdorf, Geschäftsführer der Axel-Andersson-Akademie, nur zu gut. Dabei geht es ja nicht darum, lauter „Thomas Manns“ hervorzubringen. Insgesamt 18000 Studenten aus verschiedenen Ländern belegen die Lehrgänge für Fremdsprachen, Mal- und Zeichentechnik und andere Disziplinen. Rund 20 Prozent „besuchen“ die Schreibschule. Und die Studienleiter, so Lammersdorf, vor allem Schriftsteller und Journalisten, verdienen sich durch die Betreuung der Fernschüler ein Zubrot. Michael Ende und Sybil Gräfin Schönfeld haben an den Lehrheften mitgewirkt, die Hamburger Lyrikerin Charlotte Ueckert hält Seminare. Die staatliche Zentralstelle für Fernunterricht in Köln begutachtet die Lehrinhalte.
Mehr Frauen als Männer melden sich zu den Kursen, das Alter der Teilnehmer liege zwischen 40 und 60 Jahren, so Lammersdorf. „Sinnvolle Freizeitbeschäftigung“ und „Drang nach Veröffentlichung“
1nennt er als zwei der Motivationen. Der Einstieg in die Lehrgänge ist jederzeit möglich, fast die Hälfte der Zauberlehrlinge steigt vorzeitig aus. „Das hat meist private Gründe“, weiß Lammersdorf.
Wenn Texte abgelehnt werden — was selten geschieht —, dann etwa weil sie „pornographischen“ oder „militaristischen“ Inhalts sind, so der Chef. Ansonsten bleibt alles unzensiert, die Gedichte des pensionierten Luftwaffenoffiziers, die Prosa der Dorfschullehrerin und die Erlebnismärchen des Kapitäns zur See. Und wer weiß, wer nicht noch alles durch diese Schule gegangen ist.
Mechthild Bausch
Axel Andersson Akademie, Neumann- Reichardt-Str. 27-33, Hamburg 70, 6580901
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