: SPD: Ringen um das Rote der Ampel
■ Debatte nach Isola-Rücktritt / Statt „Politik in Hinterzimmern“ „raus auf die Straße“
Eigentlich sollten die SPD- Landesdelegierten über die Weiterentwicklung der bremischen Schulpolitik beraten. Es sollte anders kommen: Die Lage der SPD in der Ampelkoalition war das Thema, nachdem am Freitag nachmittag überraschend der Landesvorsitzende Horst Isola zurückgetreten war. (vgl. taz 5.12.)
„Es brodelt in allen Hinterzimmern“, eröffnete der Juso Carsten Sieling die Debatte. Das Bild der Ampel werde von „gelb“ und „grün“ bestimmt und den um Profil ringenden kleinen Koalitionspartnern, an „roter Farbe“ und „Ausstrahlungskraft unserer Partei“ fehle es. Der profilierteste unter den sozialdemokratzischen Senatoren sei der Finanzsenator, fand Sieling, mit Sparpolitik lasse sich allerdings kein sozialdemokratisches Profil gewinnen.
Sieling verwahrte sich aber gegen die, die der SPD eine große Koalition empfehlen wie frühere Senatoren, die in der Ampel-Koalition keinen Posten mehr bekommen haben: „Was erwarten diese Exilsenatoren eigentlich inhaltlich im Rahmen einer großen Koalition?“
Auch Barbara Klöpper, einziges UB-West-Vorstandsmitglied auf der Rednerliste, versicherte, bei der Gestaltung der Zeitung „Südwest“ sei es um freie Meinungsäußerung gegangen. Es habe „nicht die Absicht gegeben, die Koalition infrage zu stellen.“
Fraktionsvorsitzender Claus Dittbrenner widersprach „ganz energisch“ dem Versuch, jetzt die Debatte um die große Koalition „neu zu eröffnen“. Wer das tue, „treibt diese Partei in einen Abrgund“, es gebe „überhaupt keinen Grund für einen Wechsel“. Dittbrenner selbst hatte vor wenigen Tagen, als es um die Besetzung der Sprecherpostens der Wirtschaftsdeputation ging und er selbst den „Exilsenator“ Konrad Kunick favorisierte, eine Rücktrittsandeutung gemacht. „Das muß man abkönnen, daß man auch mal unterliegt“, erklärte er nun die Spielregeln der Politik. Der Eindruck “Jetzt wackelt der auch schon“ sei falsch. Allerdings müsse man um Inghalte streiten können — wie etwa in der Frage der Glocken- Sanierung — ohne sofort in den Verdacht zu geraten, die Koalitionsfrage aufzuwerfen.
Im Gegenteil: Erst im Streit um die Sache könne die SPD Profil gewinnen. Dittbrenner nannte als Beispiel die Wohnungsbaupolitik, wie die SPD und ihre Senatorin Lemke-Schule „Handlungskompetenz zeigen“ müsse, dies sei „ein Knackpunkte in dieser Regierungskoalition“ für die SPD.
Der Ost-Delegierte Heinz- Gerd Hofschen spielte auf die Arbeitssenatorin an, als er formulierte, viele hätten „einen ganz anderen Rücktritt erwartet“. So sehr wie die Schlagzeilen zu Uhl habe der Partei nicht einmal Uwe Beckmeier“ geschadet, „von dem man nichts hört“.
Der Delegierte Christoph Butterwegge warf die Frage auf, warum vor Isola schon Herbert Brückner und Ilse Janz „auf fragwürdige Art den Landesvorsitz aufgeben“ mußten. Kaum jemand sei offenbar in der Lage, die Bremer SPD zu führen, weil parteiintern die „persönliche Intrige stärker ausgeprägt ist als die politische Initiative“.
Der kommissarische Landesvorsitzende Siegfried Ziegert faßte die Aussprache mit der Beobachtung zusammen, daß offenbar niemand in der Bremer SPD, auch am Vorabend die vier UB- Vorstände nicht, die Koalition infrage stelle.
Bürgermeister Klaus Wedemeier bedauerte „sehr“, daß Isola zurückgetreten ist, und rief den Delegierten zu: „Laßt uns endlich aufhören mit dem Koalitionsgequatsche, sonst quatschen wir nächstes Mal nicht mehr mit.“ Zu dem Brief, mit dem Koschnick die öffentliche Kritik an Isola eröffnet hatte, meinte Wedemeier: „Wenn zwei in einem Haus ein Büro haben, muß man sich da Briefe schreiben und die dann auch noch der Presse zuspielen? Was soll das eigentlich?“ Die SPD müsse „raus auf die Straße, hin zu den Menschen.“
Ganz in diesem Sinne hatten die Delegierten ihre Beratungen eine halbe Stunde unterbrochen, um an einer Kundgebung gegen Rechtsradikalismus teilzunehmen.
In der anschließenden Debatte um die Schulpolitik versicherten sich die Delegierten nur noch gegenseitig, daß die SPD „für eine Schule, die nicht ausgrenzt“ (Scherf) eintreten will. Bei den Privatschulen, „die bauen und bauen und bauen“, müsse man über Kürzungen reden, damit die sich nicht weiter zur attraktiven Alternative zum staatlichen Schulsystem entwickeln.
Was das im Hinblick auf die Koalitionsvereinbarung und die FDP-Forderung nach Schaffung von zwei Gymnasien bedeutet, wird der Koalitionsaausschuß heute abend im kleinen Kreise entscheiden müssen. K.W.
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