: Kohl: Bremen bleibt schön klein und vielleicht frei
■ Einstündiges Gespräch des Bürgermeisters beim Bundeskanzler / Hilfeersuchen für Klöckner
Wenn Luxemburg in der EG ein gleichberechtigter Parnter ist, kann Bremen auch ein selbständiges Bundesland bleiben. Das sagte Bundeskanzler Helmut Kohl in Bonn gestern zu Bürgermeister Klaus Wedemeier, und der gab danach Helmut Kohls Worte gegenüber der Presse folgendermaßen weiter: „Den Satz: Für die Selbständigkeit Bremens gibt es keine Alternative, unterschreibe ich sofort.“ Zuspruch aus wichtigem Munde machte Wedemeier selbstbewußt: „Von daher können sich alle, die sich nur noch mit der Frage der Länderneugliederung befassen, anderen Dingen zuwenden“. Eine ähnliche Kohl- Äußerung hatte Handelskammer-Präses Hattig vor Monaten aus Bonn mitgebracht.
Ansonsten blieben die Gesprächsergebnisse eher im allgemeinen. Immerhin darf sich Bremen weiterhin kleine Hoffnungen machen, daß die Entschuldung bereits Ende des Jahres 1993 beginnen könnte. Er habe Kohl deutlich gemacht, daß es bei einem späteren Beginn nur
teurer werden könne und dies sei unmittelbar einsichtig, berichtete Wedemeier. Zunächst wird eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe bis spätestens Ende Januar die Grundlagen für die Sanierung Bremens und des Saar
landes legen. Dieses Thema wird dann in die Gespräche zur Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs eingebracht. Zusammen mit dem Solidarpakt soll bis Sommer nächsten Jahres eine große Lösung gefunden
werden.
Zweites Thema des gut einstündigen Gesprächs war das drohende „Aus“ für die Klöckner-Hütte. Wedemeier bat Kohl darum, auf den Vorstand der Hütte einwirken zu lassen, daß dieser auch mit dem norditalienischen Konzern Ilva verhandelt. Ilva möchte sich auf dem nordeuropäischen Markt ausweiten und wäre im Gegensatz zum niederländischen Hoogovens Konzern eher ein Garant für das Überleben der Hütte. Kohl gab die Zusage, am Rande des heute in Edinburgh beginnenden EG-Gipfels, das Thema Stahl anzusprechen. Erwartungen an bremisches Wohlverhalten in Sachen Asylrechtsänderung hat Kanzler Kohl nach Wedemeiers Worten nicht geäußert. Das Thema sei nicht angesprochen worden. Dafür erkundigte sich der Kanzler nach dem Befinden der Bremer Ampel. „Ich habe gesagt, daß die Entscheidungsfindung bisweilen etwas lange dauert, aber daß die Ampel seit einem Jahr gute Arbeit leistet. Ich habe deutlich gesagt, daß ein Koalitionswechsel für uns nicht in Betracht kommt.“ Der Kanzler nahm es zur Kenntnis und blieb, wie er es das ganze Gespräch über gewesen sein soll, freundlich und offen. F.G.
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