Village Voice: Eben Sommer, Sonne, Spaß
■ „Yep!“ von den Candy Dates
Es ist zwar lange her, aber vielleicht erinnern sich noch einige an den letzten Sommer. Komischerweise werden höhere Temperaturen, Sonnenschein, Sand zwischen den Zähnen und Schweiß unter den Achseln immer mit lustig dängelnden Gitarren assoziiert, als hätte ein für Musik zuständiger Untergott damals, als die Rickenbacker-Gitarre erfunden wurde, festgelegt, daß dieser Sound fortan einzig zur Vertonung dieses speziellen, klimatechnisch bedingten Sichwohlfühlens zu dienen habe.
Auch die Candy Dates sind diesem Versprechen aufgesessen. Im Titel ihres Longplayers fordern sie ein frischfrommfröhlichfreies „Yep!“, aber lassen unklar, was genau sie damit meinen könnten. So aussagekräftig und das Nichts auf den Punkt bringend wie der Plattentitel sind auch die zehn Songs, die nicht nur Titel tragen wie „Big Big Kiss“, „Happy Hills“, „Honey“ oder „My Absolute Favourite Girl“, sondern sich auch so anhören. Der Wohlklang turnt unverschämt und unbeherrscht, die Harmonien tröpfeln wohlig und frisch ersonnen, die Melodien sind logisch und offensichtlich und die Texte von keinerlei Realitätsbezug getrübt.
Wer den Fehler macht, manchmal zu lange aufzubleiben, und es sich dabei nicht verkneifen kann, fernzusehen, wird sicher auch schon einmal über die Angebote jener Firmen gestolpert sein, bei denen man „nur telefonisch und nur jetzt“ die ultimative Sammlung irgendwelcher „Kuschelrock-Hits auf vier CDs, vier LPs oder vier MCs“ bestellen kann. Diese Firmen heißen nicht mehr Arcade wie zu meiner Jugend, aber bringen immer noch Oldies- Kompilationen heraus, die von einem gesunden Drang zur Verknappung von Jahrzehnten gekennzeichnet sind. Die Candy Dates waren anscheinend besonders angetan von den Sixties- Sammlungen, denn bei ihnen findet sich strammer Beat, Beatles- Süßlichkeit, Beach-Boys-Spaßdrang und Byrds-Gedängel, ohne daß sich die einzelnen Stücke voneinander unterscheiden würden. Dazu klingt „Yep!“ rein aufnahmetechnisch auch noch wie eine Achtspuraufnahme von vor dreißig Jahren, die für die „repräsentative“ CD-Ausgabe digital überarbeitet wurde, ohne jedoch den Reiz, den solche Aufnahmen mit all ihrem Knacken und Knirschen auch heute noch entwickeln, überhaupt entfalten zu können. Was sicher auch am nicht wegzudenkenden Wissen liegt, daß die Candy Dates eben nicht das Original, sondern nur eine Berliner Kellercombo sind.
Immerhin ist auch das eine Leistung, den kleinsten gemeinsamen Nenner eines vollständigen Jahrzehnts in drei Minuten zu pressen und dabei noch den einen oder anderen halbwegs modernen Klang, will sagen erst 15 Jahre alt, integrieren zu können. Sicherlich sind die Candy Dates keine schlechte Band, ganz wunderbar kann man sie sich sogar vorstellen, wenn man gerade im Park sitzt und die Sonne scheint (sic!), der eigene, stechende Schweiß in die Nase steigt, kühlende Getränke nicht in Sicht kommen, und die Candy Dates spielen dazu. Fast programmatisch beginnt „Yep!“ mit einem Kurzhörspiel: Kohlensäureprickelnd fällt Flüssigkeit ins Glas, und eine hohe Frauenstimme bestellt „two strawberry icecream sodas“. Sommer, Sonne, Spaß eben. Thomas Winkler
The Candy Dates: „Yep!“, Worldcup
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