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Alles nur Theater?

■ Dirk Käsler u.a.: "Der politische Skandal" / Thomas Meyer: "Die Inszenierung des Scheins. Essay-Montage"

Die Inszenierung und Symbolisierung von Politik ist so alt wie die Politik selbst. Wir kennen sie aus allen Epochen: den Bußgang Heinrichs IV. nach Canossa, den Warschauer Kniefall Willy Brandts, Kohl und Reagan auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg oder die Friedensdemonstrationen in Mutlangen. Die Beispiele zeigen es: Symbolische Politik findet statt zu den verschiedensten Themen und in allen politischen Lagern. Wo aber liegt die Grenze zwischen Schauspiel und Wirklichkeit, was ist expressives und was instrumentelles Handeln? Läßt sich das eine noch vom anderen unterscheiden? Einen Beitrag zur Klärung dieser Fragen versucht der Soziologe Dirk Käsler. Käslers eigentliches Thema ist der Skandal als politisches Theater. Entsprechend ist sein gemeinsam mit Studierenden verfaßtes Buch in zwei Hauptteile gegliedert. Im theoretischen Teil findet sich neben einer begriffsgeschichtlichen Herleitung des Wortes Skandal der Versuch, sich der symbolischen Qualität von Politik über die Auseinandersetzung mit politischen Skandalen zu nähern. Im zweiten Teil werden politische Skandale als Theaterstücke präsentiert: u.a. die Spiegel-Affäre als „demokratische Farce“, der Brandt- Rücktritt als „Agentenspiel“, die Parteispendenaffäre als „demokratisches Trauerspiel“ und der Berliner Antes-Skandal als „tragische Burleske“. Doch letztlich ist der politische Skandal als Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit symbolischer Politik unglücklich gewählt. Skandale sind – trotz zunehmender Häufigkeit – eben nicht der Regelfall politischen Geschehens.

Der Bedeutung von Symbolen für die Konstruktion der Wirklichkeit und dem Verhältnis zwischen Realität und symbolischem Schein versucht sich Thomas Meyer (Leiter der Akademie für politische Bildung der Friedrich- Ebert-Stiftung) zu nähern. Meyer legt besonderen Wert auf das Paradoxon, daß das, was symbolische Politik zu symbolisieren scheint, nicht wirklich sein muß. Ein idealtypisches Beispiel dafür, wie Politik zur reinen Inszenierung wird, ist die Amtszeit Ronald Reagans. In dessen Präsidentschaft verschwanden Sachargumente und Entscheidungshandeln fast vollständig hinter der mediengerechten Selbstinszenierung oder wurden allein als Kulisse in die Bildregie aufgenommen; der Sieg der Bilder über den politischen Inhalt. Gelingt es uns, die Differenz zwischen solchen Bildern und der Wirklichkeit noch zu erkennen, unsere Autonomie wiederzugewinnen? Manchmal entlarvt sich symbolisches Handeln als Politik-Ersatz auch von selbst. Da ist Politik wie Theater: Wo aber der Regisseur auf der Bühne allzu deutlich sichtbar wird, zerbricht der schöne Schein. Helmar Schöne

Dirk Käsler u.a.: „Der politische Skandal“. Westdeutscher Verlag, 1991, 36 DM

Thomas Meyer: „Die Inszenierung des Scheins. Essay- Montage“. edition suhrkamp, 1992, 16 DM

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