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„..wünschen wir Erich Honecker alles Gute“

■ Entscheidung nach langer, teils makaberer Verhandlung: Honecker bleibt in Haft/ Verteidigung: „Hier wird von Menschenwürde offenbar nicht viel gehalten“

Berlin (taz) —„Hier wird von Menschenwürde offenbar nicht viel gehalten", resümierte Honecker-Anwalt Nicolas Becker gestern die Entscheidung des Gerichtes: Erich Honecker wird auch im neuen Jahr auf der Anklagebank sitzen, obwohl die Prognosen der Sachverständigen darauf hinauslaufen, daß der ehemalige Staatschef das Ende des Prozesses nicht erleben werde. Der Antrag der Verteidigung auf Einstellung des Verfahrens wurde vom Vorsitzenden Richter Hansgeorg Bräutigam nach achtstündiger Verhandlung mit der Begründung abgelehnt, es bestehe zur Zeit kein Verfahrenshindernis. Die Prognose der Sachverständigen sei „zu ungewiß". Demgegenüber bestehe eine „verfassungsrechtliche Pflicht zur Strafverfolgung“.

Becker hatte zuvor in einer eindrucksvollen Begründung des Einstellungsantrages an das Gericht appelliert, es solle „ein Sterben in aller Öffentlichkeit" nicht zulassen. An der Entscheidung werde auch das Ausland ablesen, wie die deutsche Justiz mit einem Sterbenden umgehe. Hier dürfe nicht mit „unerbitterlicher deutscher Gründlichkeit“ verfahren werden. Als „Nagelprobe auf den Rechtsstaat" hatte zuvor Beckers Kollege Wolfgang Ziegler die anstehende Entscheidung bezeichnet. Es gehe um eine Entscheidung zwischen der Forderung nach Rache oder der Durchsetzung der verfassungsrechtlich gebotenen Menschenwürde, die auch jemandem zustehe, der schwerster Verbrechen angeklagt sei.

Doch das Gericht folgte lieber dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage. Derzeit sei Honecker weiter verhandlungsfähig. Der Eindruck, den Honecker während des Prozesses biete, stütze diese Einschätzung. Der Angeklagte sei „wach, orientiert und zeige keine wesentlichen Ermüdungserscheinungen“.

Nebenklagevertreter Hanns Ekkehard Plöger sekundierte erwartungsgemäß der Staatsanwaltschaft: Die Krebsdiagnose sei — so der von ihm herangezogene Sachverständige Julius Hackethal — „nicht zweifelsfrei erwiesen“. Vielmehr fehlten die typischen Krebssignale. „Außer einer gewissen Traurigkeit“, so Plöger, sei dem Angeklagten nichts anzumerken. Zudem bringe sich Honecker durch die Ablehnung einer Behandlung selbst in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit. Also trete die Nebenklage „mit Entschiedenheit“ dem Einstellungsantrag entgegen. Im übrigen „wünschen wir Erich Honecker alles Gute“.

Sichtlich zufrieden nahm Plöger dann auch die Entscheidung des Gerichtes auf, ganz nach dem Motto: jeder Tag den Honecker hinter Gittern verbringt, ist ein Sieg des Rechtsstaates.

Diese Rechtsstaatsauffassung allerdings dürfte den Hauptangeklagten kaum zu einer veränderten Prozesseinstellung motivieren, wie sie der Nebenklagevertreter Rüdiger Börgen für denkbar hält. Warum sollte Honecker durch den herannahenden Tod nicht doch noch zum Nachdenken veranlaßt werden? Der Krebs als Vehikel der Wahrheitsfindung? Wohl kaum. Honecker-Anwalt Wolff sieht die Auffassung seines Mandanten durch die Entscheidung bestätigt. Ohnehin sei Honecker immer „von uns allen der Skeptischste gewesen“. Zurecht, wie sich gestern abend herausstellte. Matthias Geis

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