piwik no script img

Abschiebung wg. "Altfällen"

■ Wegen Vorstrafen sitzt drogenabhängiger Türke nun in Abschiebehaft

sitzt drogenabhängiger Türke nun in Abschiebehaft

„Völlig unverständlich“ ist das Vorgehen der Hamburger Ausländerbehörde für den Psychologen André Hinz. Seit sieben Monaten betreut er in dem Drogenprojekt M.A.T. den ehemals heroinabhängigen, jetzt mit dem Ersatzstoff Methadon substituierten Türken Muhamet Y. Völlig überraschend wurde der 24jährige, der eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung besitzt, jedoch in der vergangenen Woche in Abschiebehaft genommen. Noch vor Weihnachten sollte er ausgewiesen werden. Durch ärztliche Intervention wurde der Termin auf den 4. Januar verlegt.

Der junge Türke lebt seit zwölf Jahren in Hamburg und ist seit vier Jahren heroinabhängig. Wie viele Abhängige überstand auch er seine Drogenkarriere nicht ohne Vorstrafen: Diebstahl, Drogenkonsum und -handel trugen ihm Bewährungsstrafen ein. „In diesem Jahr hat Muhamet einen Schritt nach vorne gemacht“, meint jedoch Hinz. Trotz seiner Wohnungslosigkeit arbeite Y. seit einem Jahr beständig in einem Harburger Beschäftigungsprojekt, und auch seine Drogensubstitutionsbehandlung habe er bislang gut durchgehalten.

Doch sein Vorstrafenregister (letzte Verurteilung in 1991) wird dem jungen Türken jetzt zum Fallstrick. Der zuständige Sachbearbeiter in der Ausländerbehörde habe ihnen gesagt, so Hinz, daß die Abschiebung aufgrund der Altfälle geschehe — gegen Y. „solle ein harter Gang gefahren werden“. Eine Gangart, die im Untersuchungsgefängnis für den Türken hätte lebensbedrohlich werden können: Dort setzte man ihn wegen der Abschiebung zunächst sofort vom Methadon ab. Ein solcher Methadonentzug kann jedoch zu schweren gesundheitlichen Komplikationen führen. Erst auf Intervention des Hausarztes wurde von dieser rigiden Maßnahme abgesehen und die Abschiebung aus medizinischen Gründen auf Januar verschoben.

Doch dann wird sich die Ausweisung von Muhamet Y. nach Einschätzung von Ralph Bornhöft, dem Leiter des für Abschiebungen zuständigen Einwohnerzentralamtes, nicht mehr abwenden lassen. Denn anders als für die Drogentherapeuten, für die Y. nur mit den für Abhängige üblichen Kleinstmengen gedealt hat, wiegen Y.s Vergehen für Bornhöft schwer. „Wir haben ein großes Interesse daran, daß ausländische Straftäter möglichst zügig wieder nach Hause gehen“, erklärte er gestern auf Nachfrage. Nach den Erfahrungen von André Hinz zeigt sich die Hamburger Justiz jedoch bei deutschen Abhängigen kulanter: „Wenn die während einer Substitutionsbehandlung wegen kleiner Sachen straffällig werden, dann werden die Verfahren häufig eingestellt.“ sako

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen