piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Peter Vollmer im Mehringhoftheater

Es war nicht unbedingt mein Fehler, sondern eher der des Herrn Freud oder meines Anrufbeantworters, daß das Kabarett losging, noch ehe ich dort war. Ich solle doch bitte „Im Namen der Hoden“... tönte da die Nachricht der Redakteurin rauschend aus dem Gerät. Richtig heißt es natürlich „Im Namen der Hose“, und in dieser steckt auf der Bühne des Mehringhoftheaters Peter Vollmer. Ein wahrhaft scheußliches Exempel präsentiert sich da auf der Bühne – Armee-Tarnmuster in Schwarz-Grau-Weiß. Ein Anschlag auf den guten Geschmack und Selbstironie gleichermaßen. Ihr Träger, das hätt' keiner Selbstbezichtigung bedurft, ist Mitglied der Guerilla der radikalen Kabarettfraktion. Darum hier die Warnung: Vorsicht, (manchmal) bissig! Und: Vorsicht, gutes Männerkabarett!

Im unscheinbaren Softie-Outfit gelobt er, wie's frau gefällt, Vorspiel und Nachspiel zu geben (zum Hauptteil gibt's die Pause). Doch leider, was ein glänzender Anfang verspricht, kann das Nachspiel oft nicht ganz halten. Auch hier ein Biß mit der Prothese!

Zum Vorspiel. Vollmer pirscht sich über den (Tier-)Forscher Grzimek, diverse Fallbeispiele, den Macho-Kochstudio-Koch und den Fußballreporter „Harri Bo“ ran an die Spezies Mann, die im „Feuchtbiotop Kneipe“ als letzte „ökologische Nische“ noch in ihrer Urform vorkommt. Er seziert Sauf-, Sportschau- und Autowahn in der Hoffnung, wenigstens geringe Aussichten auf Therapierbarkeit bestätigt zu bekommen. Indes – die Aussichten sind trübe, das Spezialkommando aus der Zukunft gibt zuletzt auf: Es bleibt kein gutes Haar auf der männlichen Brust, des nämlichen Brunftgehabe strömt nur einen wenig verlockenden Duft namens „poor homme“ („Armer Mann“) aus. Die Mission zur Verbesserung des Mannes, angerückt aus der Zukunft, ist gescheitert.

Dabei verliert sich Vollmer nicht in öder Selbstgeißelung, sondern findet in röhrender Bluesstimme und erfrischendem Sprachwitz (der Feministinnen ausnahmsweise nicht der Blaustrumpfigkeit bezichtigt!) seine Hochform. Die Mimik allerdings gerät ihm leicht ins Hintertreffen. Doch Vollmers Geschlechtsbetrachtungen sind nicht nur angereichtert mit (Koch-)Tips für die Frau – abhängen lassen, in Wein legen, schmoren lassen, wenn er gar ist, scharfmachen oder kaltstellen – sondern auch mit Reflexionen über das Aus der DDR und „das einzig wahre Maueropfer“ Erich, mit Überlegungen über das Kabarett an sich und die Fernseh„kultur“folterer Elstner, Schanze, Egerländer & Co. Was bleibt einem da anderes übrig, als zum Kabaretterroristen zu werden? Recht hat er.

Doch dann: das Nachspiel! Es entpuppt sich nicht nur als Schwäche der Männer, nein, es geht tiefer (geradezu in die Hose) und offenbart ungewollt die Schwierigkeit, die Deutsche mit ihrer Geschichte und insbesondere mit dem Mann Hitler haben. Vollmers Kabarettisten-Nummer zur Imagepflege Hitlers mißlingt gründlich. Seine Geste zum Beispiel, mit der er Hitlers imaginären Kopf in Kniehöhe tätschelt, gerät in diesen Zeiten geradezu zum „Faux pas“ der Verniedlichung. So wird aufs neue bestätigt, wie wenig be- und verarbeitet der nationalsozialistische Wahnsinn ist. Lachen im Sinne Taboris ist bei Vollmer nicht möglich. Auch daß gerade der 150prozentige komplexbeladene Versager im Kreise der zu therapierenden Mannsbilder nur durch „den Führer“ aufstehen kann und zum Kämpfer wird, bleibt eine trivialpsychologische Plattitüde, die besser nicht über die Bühne gegangen wäre. Petra Brändle

Peter Vollmer: „Im Namen der Hose“, Männerkabarett im Mehringhoftheater: Bis 17.1., Mi-So um 21 Uhr, Gneisenaustr. 2a

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen