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Der Handel mit Trabi-Ersatzteilen floriert

■ Besuch bei einem Schrotthändler in Weißensee/ Der Trabant bleibt weiterhin beliebt

Weißensee. Spatzen thronen zwitschernd auf meterhoch gestapelten Autoreifen. In der mit Wasser gefüllten alten Schubkarre ist ein Auspuff festgefroren. Kotflügel von gelben Wartburgs und Motorhauben von giftgrünen Trabis stapeln sich neben Frontscheiben und Türen von Ladas, Opels und Volkswagen. Am Eingang des Hofes sind zwei Trabis übereinander gestapelt. Beide ohne Reifen, ohne Fensterscheiben, ohne Sitzbänke. Ausgeschlachtet. Aber der 26jährige Alfred Glatz schraubt von den ausgeschlachteten Wagen ab, was er noch braucht: zwei schaumstoffgepolsterte Türgriffe, die er gegen die einfachen Plastikriemen seines Trabis austauschen will. Er ist Stammkunde in der Firma Bernd Brasch & Sohn in der Weißenseer Ortnitstraße, wo hauptsächlich Autos verschrottet werden. Aber nicht nur Trabant, Wartburg und Lada werden hier in Einzelteile zerlegt, sondern auch die nach der Wende gekauften und inzwischen schrottreifen „Westautos“.

Der kleine Betrieb, der aus Vater, Sohn und zwei Angestellten besteht, unterhält daneben noch einen Wohnmobilverleih, einen Abschleppdienst und eine Autowerkstatt. Die Haupteinnahmequelle ist allerdings der Schrotthandel. Und der floriert. Bis zum Jahresende mußten alle DDR-Autos mit gültiger TÜV-Plakette versehen sein und dafür mancher Trabi flottgemacht werden. Für Bernd Brasch kein Problem. „Viel ist ja nicht dran an den Dingern, deshalb sind Reparaturen leicht durchzuführen.“ Aber das meiste bauen sich die Kunden selber ein. „Der DDR-Bürger war ja ein Bastler und daran gewöhnt, alles selber zu machen“, sagt Brasch. Und in seinem Ersatzteillager findet der Kunde, was er braucht.

Bei der Suche nach ausgeschlachteten Bremsbacken, Kupplungen und Antriebswellen riecht es immer wieder nach Öl und Benzin. Stoßdämpfer liegen aufgereiht in Regalen, Lichtmaschinen sind nach Fahrzeugtypen geordnet. Wenn der Suchende seinen Blick durch das Lager schweifen läßt, trifft er auf Scheibenwischer, Scheinwerfer und in gestapelten Rückspiegeln auf sich selbst. Ganz oben im Regal sind die Rückbänke gelagert. Aus der anderen Ecke der Werkstatt dudelt Radiomusik herüber. An der Wand hängt ein Kalender mit einer nackten Frau.

Die obligatorische Hauptuntersuchung des Technischen Überwachungsvereins (TÜV) ist nicht der einzige Grund und die Werkstatt der Braschs nicht der einzige Ort für die rege Nachfrage nach gebrauchten Autoteilen. Auch bei der Autoverwertung Winfried Wehle in Weißensee ist die Nachfrage seit einigen Monaten stärker. „Das liegt am TÜV und daran, daß die Neuteile teurer geworden sind, zum Beispiel Reifen und Auspuffanlagen.“ Die Preise für gebrauchte Ersatzteile seien hingegen auch hier nicht gestiegen.

Bernd Brasch ist davon überzeugt, daß die Nachfrage nach gebrauchten Trabiteilen noch eine Weile anhalten wird. „Viele können sich einfach kein anderes Auto leisten, zum Beispiel weil sie arbeitslos sind. Der Trabi ist außerdem von allen DDR-Autos das billigste – im Unterhalt sowie bei der Reparatur.“ Auch deshalb sei er als Zweitwagen begehrt. Für die Ehefrau beispielsweise. In dem Falle fährt der Gatte ein Westauto. Daß beide Eheleute einen Trabi fahren, hat Bernd Brasch allerdings noch nicht erlebt. „Wer sich's leisten kann, fährt ein Westauto.“

Nostalgische Gefühle für den Zweitakter aus Preßpappe kennt der Schrotthändler daher nur von Wessis. Der Boom begann kurz nach dem Mauerfall. Im Westen war der Trabi plötzlich gefragt: sein Preis ist überzeugend niedrig, und es ist ein gewisser Chic, das Auto zu fahren, das zu DDR-Zeiten mitsamt seinem Fahrer nur mitleidig belächelt wurde. In der Anzeigenzeitung Zweite Hand werden sie manchmal als Geschenk angeboten.

Aber auch auf anderen Wegen ist der Trabant schon an den Westdeutschen gelangt. Ostdeutsche, die sich kurz nach der Wende im Westen ein neues Auto gekauft haben, ließen ihren Verwandten den Trabi. Der braucht inzwischen Ersatzteile. Und die besorgen die Ostdeutschen ihren westdeutschen Verwandten zum Beispiel in der Werkstatt von Bernd Brasch. Denn die Wessis kennen sich mit dem Trabi nicht so gut aus. Noch nicht. Marlies Wiedenhaupt

Bernd Brasch & Sohn, Ortnitstraße 104, 1120 Berlin

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