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Neue Koalitionsregierung für Irland

Die gerade gewendete Labour Partei verhilft der konservativen Fianna Fail Partei heute wieder zur Macht/ Keine Einigung über Finanzierung des Regierungsprogramms  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

„Wir werden uns an keiner Regierung beteiligen, die bereit ist, Politik in Verruf zu bringen, so wie es diese Regierung getan hat“, sagte der Chef der irischen Labour Party, Dick Spring, am 5. November während der Parlamentsdebatte über den – schließlich erfolgreichen – Mißtrauensantrag gegen die konservative Regierung. Er fügte in aller Deutlichkeit hinzu: „Es wäre sicherlich erstaunlich, wenn irgendeine Partei überhaupt in Erwägung ziehen würde, mit ihnen eine Koalition einzugehen.“ Ziel seiner Kritik war Fianna Fail (Soldaten des Schicksals), die größte irische Partei, die das Land seit den dreißiger Jahren mit kurzen Unterbrechungen wie ein Familienunternehmen führt.

Nach zwei regierungslosen Monaten wählt das Dubliner Parlament heute nun eine Koalitionsregierung aus Fianna Fail und der Labour Party. Am Wochenende haben beide Fraktionen ein gemeinsames Regierungsprogramm mit überwältigender Mehrheit angenommen. Wichtigste Punkte: 30.000 neue Jobs pro Jahr, Scheidungsreferendum 1994, weiterer Steuernachlaß für Hypothekenbelastungen bei niedrigem Einkommen, 20 Millionen Pfund (52 Millionen Mark) für Krankenhäuser, Erhöhung des Kindergeldes, 3.500 neue Sozialwohnungen, Reduzierung der Klassenstärke von 39 auf 22, Verbesserung des öffentlichen Transports in Dublin und die Einrichtung des Maifeiertags.

Das Programm klingt gut, hat aber einen Schönheitsfehler: Die beiden Parteien konnten sich nicht über die Finanzierung einigen. Spring gab am Sonntag zu, daß zwischen den beschlossenen Ausgaben und dem vorhandenen Geld „eine Lücke klafft“. Er sei jedoch davon überzeugt, daß bei den notwendigen Sparmaßnahmen „soziale Härten“ vermieden werden können. Was hat Spring zu seinem erstaunlichen Meinungsumschwung in bezug auf eine Koalition mit Fianna Fail bewogen? Der Wille der WählerInnen kann es jedenfalls nicht gewesen sein. Bei den Parlamentswahlen Ende November mußte Fianna Fail nämlich eine empfindliche Niederlage einstecken. Die Partei hatte die absolute Mehrheit angepeilt, verlor jedoch über fünf Prozent der Stimmen und verfügt nur noch über 68 der 166 Sitze. Die Labour Party konnte dagegen die Zahl ihrer Mandate von 16 auf 33 steigern.

Über Nacht wurde der 41jährige Spring, ein ehemaliger Rugby-Nationalspieler aus dem Südwesten der Grünen Insel, zum „Königsmacher“. Der „Regenbogenkoalition“ aus Labour und den beiden konservativen Parteien, Fine Gael (Stamm der Gälen) und Progressive Demokraten, der nach den Wahlen die besten Chancen eingeräumt wurden, erteilte Spring jedoch eine Absage. Der Grund dafür ist wohl in der Geschichte zu suchen: Bereits zweimal – Ende der vierziger Jahre und 1973 – ist Labour eine Koalition mit Fine Gael eingegangen und hat dadurch ihren stetigen Abstieg aufgehalten. Diesen Fehler wollte Spring nicht wiederholen. Sein erklärtes Ziel ist es, die Labour Party anstelle Fine Gaels zur zweitstärksten Partei zu machen.

Ob eine Koalition mit Fianna Fail dafür allerdings der richtige Weg ist, muß bezweifelt werden. Viele WählerInnen fühlen sich verschaukelt, da Fianna Fail und ihr unbeliebter Premierminister Albert Reynolds mit Labours Hilfe nun doch wieder an die Macht kommen – zumal aufgrund der Sitzverteilung zu befürchten ist, daß Fianna Fail die Regierung dominieren wird. Ob die Koalition – die Spring verschämt „Partnerschafts-Regierung“ nennt – lange Bestand haben wird, ist allerdings unsicher. Das Tribunal über Günstlingswirtschaft in der Fleischindustrie, in dem hochrangige Fianna-Fail-Politiker belastet sind, könnte der Partnerschaft recht bald den Garaus machen. Schließlich ist die Labour Party im Wahlkampf gegen „Korruption und Skandale“ eingetreten und könnte trotz ihrer Wendefreudigkeit wohl kaum in der Koalition bleiben, sollten sich die Vorwürfe gegen Fianna Fail erhärten.

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