: Innensenator gegen Bettel-Kinder
■ CDU: Kinder werden "ruhiggestellt" / Grüne gegen Kinderarbeit
Innensenator gegen Bettel-Kinder
CDU: Kinder werden „ruhiggestellt“ / Grüne gegen Kinderarbeit
Die klassischen Bettler in der Innenstadt haben seit einigen Monaten zahlreiche Gesellschaft bekommen: Frauen mit kleinen Kindern und einzelne Kinder. Da Betteln im Allgemeinen in Deutschland erlaubt ist, will die CDU- Fraktion das Betteln mit Kindern in Bremen verbieten lassen. Ihren entsprechenden Antrag wird die Bürgerschaft in ihrer nächsten Sitzung behandeln.
Der Innensenator hat bereits reagiert und arbeitet an einem Gesetzesentwurf, der es Bremen und Bremerhaven ermöglichen soll, Ortsgesetze — wie bei Lärmbelästigungen und Gestank — so auch zum Betteln zu erlassen. Das Betteln mit Kindern könnte dann zum Beispiel als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Die Grünen- Fraktion möchte zwar dem Verdacht der Kinderarbeit nachgehen, hält jedoch nichts von staatlicher Repression. Karoline Linnert, Grüne und Sprecherin der Sozialdeputation, fordert, bei diesem vielschichtigen Problem nicht vorschnell zu generalisieren und genau hinzuschauen: bei Straftaten und organisierter Bettelei müsse zwar eingeschritten werden. Doch sei in jedem Fall in Zusammenarbeit mit den ambulanten Sozialen Diensten zu prüfen, ob die Bettelnden Sozialhilfeempfänger sind, ob sie in Bremen leben oder eigens „eingeflogen“ wurden. Wenn die Kinder unzureichend gekleidet würden, nur Mitleid zu erregen, sei dies natürlich verwerflich. Andererseit, so Linnert, müßten wir uns dann aber auch fragen, daß mit dieser Tour unser Mitleidverhalten dieses aggressive Betteln provoziert. Grünen-Fraktionssprecher Martin Thomas befürchtet, daß sich Polizeieinsätze letzlich diskriminierend auswirken könnten. Und außerdem: „Kann denn bei uns Armut nicht mehr gezeigt werden?“
Außerdem gebe es bislang nur Gerüchte. Längst nicht erwiesen sei, ob die Befürchtungen der CDU-Abgeordneten Ulrike Schreiber berechtigt sind. Schreiber hat den Verdacht geäußert, daß die Frauen zum Betteln gezwungen und daß die Kinder mit Medikamenten ruhiggestellt würden, um das „stundenlange Ausharren“ auf der Straße zu ermöglichen. Sie vermutet, es handele sich um organisierte Bettelei: die Frauen und Kinder würdem morgens aus dem Raum Hannover angefahren. Das zumindest sei der Hintergrund einer ähnlichen Bettelwelle mit Kindern vor drei Jahren gewesen.
Michael Wagner vom Bremer Sinti-Verein weiß, daß es sich überwiegend um rumänische Flüchtlinge, darunter wohl auch Roma, handele. Kontakt hat aber auch diese Beratungsstelle bislang kaum zu den bettelnden Menschen aufgenommen. Wagner nennt Sprachprobleme und die Fluktuation als Grund. Deshalb schlägt die Grünen-Fraktion vor, eine ressortübergreifende Gruppe solle zunächst mal „Fakten auf den Tisch legen“.
Die Erkennntisse der Sozialbehörde scheinen sich jedenfalls noch nicht herumgesprochen zu haben: Pressesprecherin Andrea Frenzel-Heiduk berichtet, daß vor Weihnachten Mitarbeiter des Amtes für Soziale Dienste zusammen mit Polizeibeamten (denn nur die dürfen nach dem Ausweis fragen) bettelnde Frauen mit Kindern angesprochen haben. Die Frauen waren im Bremer Umland gemeldet, ihre Kinder machten einen „normalen Eindruck“. Eine Betäubung konnte nicht festgestellt werden. Belangt werden können diese Bettelnden nur, so die Pressesprecherin, wenn Verstöße gegen das Asylrecht vorliegen oder die elterlichen Pflichten zum Nachteil des Kindes vernachlässigt werden. Falls eine Vernachlässigung nachgewiesen werden kann, wird das zuständige Jugendamt benachrichtigt. Frenzel-Heiduk: „Aber es gibt keine aufsuchenden Sozialarbeiter für Kinder und Jugendliche in Bremen, wir haben eben einfach nicht genügend Leute.“
C. H.
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