: DVU-Kreisen gilt als sicher: Blohm-Mandat illegal
■ DVU-Mitglieder sind davon überzeugt, daß die Abgeordnete nur Scheinwohnsitz in Bremerhaven hatte
Hat Marion Blohm ihr Bürgerschaftsmandat erschlichen? Hat sie gar nicht in Bremerhaven gewohnt, als sie im September 1991 gewählt wurde, sondern im Niedersächsischen Langen? Hatte sie sich nur zum Schein bei ihren Eltern polizeilich angemeldet, und damit den Kreiswahlleiter gefoppt? Alte Weggefährten der DVU-Politikerin werfen ihr das vor: Marion Blohm habe sich nur pro forma in der Bremerhavener Hannastraße angemeldet, tatsächlich aber habe sie weiter im Langener Gartenviertel gewohnt. Sigrid Holler, Platz vier auf der Bremerhavener DVU- Liste zur Bürgerschaft und jetzt aus der Partei ausgetreten: „Man konnte in Langen ja noch anrufen, da war die da noch.“
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Das bremische Wahlgesetz sieht aber vor, daß eine KandidatIn für die Bürgerschaft mindestens drei Monate vor dem Wahltermin im Bremer Landesgebiet wohnen muß. Und die Blohms sind im Frühjahr 1992 erst von Langen nach Bremerhaven gezogen.
In der DVU ist es weithin bekannt gewesen, daß es ein Problem mit dem Blohmschen Wohnsitz gebe. Schon bei der Aufstellung der Liste habe die DVU-Zentrale von Marion Blohm gefordert, sie solle „das mit der Anmeldung“ regeln. Wieso, so fragt man sich in DVU- Kreisen, denn seit dem ersten Oktober 1988 war Marion Blohm mit erstem Wohnsitz bei ihren Eltern in Bremerhaven angemeldet, mit einem Zweitwohnsitz in Langen. Zum ersten April 1991 ließ sie sogar den Langener Zweitwohnsitz beim Bremerhavener Einwohnermeldeamt streichen. Wieso drängt die DVU auf einen tatsächlichen Umzug nach Bremerhaven? Juristisch ist genau definiert, daß der erste Wohnsitz dort ist, wo der Lebensmittelpunkt ist. Man kann nicht den ersten Wohnsitz im Ferienhaus anmelden, wenn man tatsächlich die meiste Zeit woanders, „zuhause“ verbringt.
Einige, die zur Wahlzeit in der DVU gewesen sind, schwören Stein und Bein, daß der Lebensmittelpunkt von Marion Blohm nicht im Hause der Eltern war, sondern in Langen, bei ihrem Mann. Der damalige DVU-Spitzenkandidat Hans Altermann erzählt, daß er eine Woche vor der Wahl eine ganze Nacht mit einem Plakatiertrupp aus Schleswig-Holstein unterwegs gewesen sei. Die Wahlhelfer sollten sich danach im Blohmschen Haus in Langen ausruhen. Altermann: „Und wer macht morgens um sechs im Nachthemd die Tür auf? Marion Blohm. Die hat da doch gewohnt.“
Sigrid Holler ist sich sicher, genauso wie Hans Altermann, genauso wie andere, die nicht in die Öffentlichkeit wollen, aus Angst vor dem Konflikt. Aber, so bestätigen alle, in der DVU sei die Geschichte mit der Wohnung „rum“ gewesen. Und selbst Marion Blohms Ehemann habe zugegeben: „Sie ist solange bei den Eltern angemeldet.“
Als die taz am Dienstag in Langen vor Ort nachfragte, erinnerte sich die Nachbarin ohne Probleme: „Blohmes sind Anfang letzten Jahres ausgezogen.“ Also Wochen nach der Wahl.
Gestern mochte weder sie noch ihr Mann sich an die Nachbarin in der Reihenhaussiedlung erinnern: „Nachbarn kommen und gehen. Das hätte ich mir ja aufschreiben müssen.“
Der Vorwurf, daß Marion Blohm mit dem Wohnsitz geschummelt habe, ist auch schon vor der Wahl den Behörden bekannt geworden. Dietrich Kleine, als Magistratsdirektor Kreis- und Stadtwahlleiter in Bremerhaven: „Wir haben das mit den uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten überprüft, und nichts festgestellt.“ Ob die Behörden jetzt die Gelegenheit nutzen, neue Aussagen mit einzubeziehen, das hängt von Dieter Klink ab: Wenn der Verdacht aufkommt, bei der Wahl könne es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, hat der Bürgerschaftspräsident einen Monat Zeit, die neuen Erkenntnisse zu prüfen. Hat er „begründete Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit, erhebt er Einspruch.
Schon einmal hat ein Bremerhavener Abgeordneter sein Mandat verloren, weil er nicht innerhalb der Landesgrenzen wohnte: Der CDU-Abgeordnete Udo Blöchl mußte 1979 seinen Sitz in der Bürgerschaft räumen. Er hatte im Umland gewohnt und ein Büro als Hauptwohnsitz angegeben. J.G.
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