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Durchs DröhnlandSonnenbrillen nach Mitternacht

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Country & Western wird nicht nur da gespielt, wo Steaks auf vier Beinen über endlose Weiden laufen. John Kennedy stammt aus Australien, ohne daß das Rückschlüsse auf seine Musik zulassen würde. Kein Klopperrock im Gefolge von Radio Birdman, kein filigraner Pop wie bei den Go-Betweens. Schlicht seine glockenhelle Stimme über unverschnörkelten, klassischen Rhythmen. Kein Pomp, keine Pose, einfach nur Song. Natürlich paßt da als Verstärkung ganz hervorragend unser liebster städtischer Gitarrist, Berlins Nesthäkchen Christoph Hahn, als Verstärkung. Selbst sein Engagement bei den Swans hielt ihn nicht davon ab, in sein kleines Sixties-Berlin zurückzukehren. Wie er seine Gitarre behandelt, mag inzwischen völlig unmodern sein, ist aber immer noch einfach schön.

Am 15.1., um 22 Uhr im Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg

Auch im Metal, diesem eigentlich so bodenständigen Genre, geht das Leben manchmal krude Wege. Messiah waren wenn schon nicht die Schweizer Erfinder des Death Metal, so doch zumindest bei den ersten dabei, die ihre Verstärker noch ein wenig mehr aufrissen und ihren Trommlern Ben- Johnson-Videos zeigten. Während die Schweizer Musikszene ansonsten ja nicht gerade für Großartiges bekannt ist, lag sie hier – zumindest im mitteleuropäischen Vergleich – mit vorne. So gehörten Celtic Frost und Venom zu den Spitzenathleten, aber Messiah dümpelten jahrelang ohne Plattenvertrag. Trotzdem wurde ihre zweite Veröffentlichung, die im Eigenverlag entstand, mehr als 12.000mal verkauft. Danach lösten sie sich auf. Und fanden zwei Jahre später wieder zusammen, wenn auch in anderer Besetzung. Und plötzlich gibt es einen Plattenvertrag, und gemischt wird sogar im schon legendären Morrisound Studio in Florida. Das ist zwar einerseits eine Ehre, sorgt andererseits aber dafür, daß Messiah – zumindest auf Platte – exakt so klingen wie 97 Prozent aller anderen Death- Metal-Bands, weil die auch alle dort produzieren lassen. Die einschlägigen Themen wie Fallstudien von Kindermördern und Todkranken haben sie auch im Angebot. Dem Erfolg dürfte nun nichts mehr im Wege stehen.

Mit Aggressor am 15.1. um 21 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Aidan Bartley war vormals eine Hälfte von Easter Island, ein akustische Gitarren schwenkendes Duo, das eine Zeitlang bevorzugt die Kneipen um Gneisenau- und Yorckstraße frequentierte, aber so wenigstens von der U- Bahn ferngehalten wurde. Von den damaligen Straßenmusik- Ansätzen hat sich Bartley nun solo etwas entfernt. Auf seiner Platte macht er hochromantische, manchmal kitschige, aber immer schöne Melancholie, die in der Gefahr des Abschmierens immer noch die Kurve zum rechtzeitig gesetzten Mißton bekommt. Vor allem dank Bartleys Knarz in der Stimme und einer kurzzeitig erkrankenden Gitarre. Durchaus Ähnliches versuchen die Sidewalk Poets. Und das schon so lange, daß sie es mit Beharrlichkeit fast schon zum Berliner Kultstatus gebracht haben, aber mehr will es einfach nicht werden. Sie selbst bezeichnen sich als „Lonesome Cowboys“, und genau hier liegt ihr Problem: zuviel Pathos, zuviel Posertum. Der Traum von den ach so einsamen Großstadtcowboys sollte inzwischen ausgeträumt sein, der war schon vor dem Mauerfall nicht mehr zeitgemäß. Trotzdem steckt in den Sidewalk Poets größeres Potential, als sie bisher ausschöpften. Vor allem Sänger und Gliedmaßenknoter Frank Schneider hat die Voraussetzungen zum Weltstar – so arrogant und selbstüberzeugt benimmt er sich auf der Bühne jedenfalls jetzt schon. Trotzdem eine schöne Kombination für triste, graue Nächte.

Am 16.1. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Die vor wenigen Jahren noch so aktiven Sixties-Historiker Berlins sind zwar etwas einsamer geworden, aber einige bleiben halt doch noch bei ihren Leisten, die im anhaltenden Seventies-Revival so unangesagt sind. Auch die Beat Godivas gibt es noch inklusive Hoppel-Schlagzeug, Mundharmonika, Schrammelgitarre und Sonnenbrillen nach Mitternacht. Neuerdings sollen sie sogar in die 80er vorgedrungen sein und Grant Harts „25 41“ covern.

Am 16.1. um 22 Uhr im Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/170

Die Verbindung zwischen Musik und Politik funktionierte in Großbritannien schon immer besser als in der BRD. Die Tradition ist ungebrochener, die Ausdrucksformen nicht allein auf Mainstream- und Punkrock beschränkt. So wenig die Smiths, Chumbawamba, The Men They Couldn't Hang oder sogar Spandau Ballett in eine Reihe passen, ein linkes Arbeiterbewußtsein ist ihnen gemeinsam. Doch vorher war da schon Attila the Stockbrocker. Nach einer Karriere als Sportjournalist und dem Studium von Krautrock-Platten (Guru Guru, Floh de Cologne und Can) begann er in den frühen Siebzigern mit einer Performanceform, die man damals hierzulande als Rock-Kabarett (s.a. Lok Kreuzberg) bezeichnete. Er hat all die Jahre weitergemacht, seine Texte stachen schon immer aus dem üblichen Rauf-auf-die-Barrikaden- Brei heraus, und seine Musik wurde mit Hilfe politisch verwandter Musikschaffender (Blyth Power, Men They Couldn't Hang) immer besser. Seine letzte, erstmals auch in Deutschland erschienene Platte „This Is Free Europe“ offenbart eine ungeahnte Stilvielfalt. Und sein komödiantisches Talent wird er nicht verloren haben. Daß er perfekt Deutsch spricht, sollte ihm im K.O.B. ganz nützlich werden.

Am 18.1. mit The Neurotics im K.O.B.

Thomas Winkler

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