piwik no script img

M.S.T. + M.U.T. = öko?

■ Neues "Öko-Label" in der Textilindustrie eingeführt / Strukturkrise durch Asien-Importe

M.S.T. + M.U.T. = öko?

Neues „Ökö-Label“ in der Textilindustrie eingeführt / Strukturkrise durch Asien-Importe

Wer beim Kauf neuer Textilien auch die Hautverträglichkeit der neuen Jeans oder des neuen T-Shirts beachten will, hat es nicht einfach. Dies war auch gestern auf der Bremer Landeskonferenz in der Bremer Baumwollbörse unumstritten. Schon länger ist bekannt, daß auch in reiner Baumwollbekleidung ungesunde Chemikalien wie Pestizide oder Formaldehyd sein können.

Allerdings wiedersprachen die Leiter der Baumwollbörse, Fritz Grobian, Gerd Schöller und Jan Wellmann, der Behauptung, die verunreinigten Stoffe kämen aus der baumwollverarbeitenden Industrie in Deutschland. Nach Darstellung der Referenten stellt der ungeprüfte Import von fertiger Kleidung aus anderen Ländern, der rund 65% des gesamten Angebotes ausmacht, das eigentliche Problem dar.

Der Verband Gesamttextil, Dachverband der Textilindustrie, startete deshalb im Sommer 1992 das „Öko-Label“. Mit ihm wollen die bisher 50 beteiligten Firmen zwei neue Markenzeichen für Stoffe einführen: das Zeichen „M.S.T.“ als Markenzeichen schadstoff-freier Textilien für geprüfte Stoffe und „M.U.T.“ als Markenzeichen umweltfreundlicher Textilien für Stoffe, die umweltschonend hergestellt werden. Dem „Öko-Label“ können seit vier Wochen weltweit alle interessierten Firmen beitreten.

Die Baumwollbörse ließ nach eigenen Angaben in neutralen Labors rund 80% der nach Bremen importierten Baumwolle auf Pestizide und Formaldehyd untersuchen. Kriterien bei der Untersuchung waren die gesetzlichen Grenzwerte für pflanzliche Lebensmittel. Die Untersuchung ergab, daß „möglicherweise in jedem Tee und jeder Apfelsine mehr Pestizide sind als in der untersuchten Baumwolle“. Fritz Grobian, Präsident der Baumwollbörse, faßte es so zusammen: „Im Prinzip ist Baumwolle eßbar.“

Es sei allerdings nicht zu kontrollieren, wie die Baumwolle in anderen Ländern weiterverarbeitet und als fertiges Kleidungsstück nach Deutschland exportiert wird; ein Drittel der weltweiten Baumwollreserve geht allein nach China. Es sei eine Entscheidung der Verbraucher, ob sich das „Öko-Label“ der Gesamttextil durchsetze.

Gerd Schöller, Vizepräsident der Baumwollbörse, macht die hohen Importraten von fertigen Produkten oder Vorprodukten besonders aus Fernost auch für die Strukturkrise in der deutschen Textilindustrie verantwortlich. In den beiden vergangenen Jahren sei das Marktvolumen deutscher Firmen auf dem deutschen Markt um mehr als 20% geschrumpft; die Folge seien Zusammenbrüche und Kapazitätsstillegungen gewesen. Er forderte Importbeschränkungen durch die Europäische Gemeinschaft, weil es unmöglich sei, daß „ein Betrieb in Europa gegen asiatische Betriebe konkurriert, die staatlich subventioniert sind“. Verantwortlich sei auch die anhaltende Produktionsverlagerung der Bekleidungsindustrie und der Maschinenindustrie in kostengünstigere Standorte. mw

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen