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Das Handwerk legen

■ Rockinitiativen vernetzen sich – Bundestreffen in Köln

Junge Bands auf der hoffnungslosen Suche nach bezahlbaren Proberäumen. Dubiose private Anbieter längst veralteter Listen mit bundesdeutschen Club- und Veranstaltungsadressen. Semiprofessionelle Bands, die außerhalb des eigenen Bundeslandes vor leeren Sälen spielen. Diese und andere Probleme sind am vergangenen Wochenende auf dem Bundeskongreß der deutschen Rockmusikinitiativen in Köln von Musikern, kommunalen Kulturvertretern und Musikjournalisten erörtert worden. Daß hier nur durch eine bundesweite Zusammenarbeit der einzelnen Initiativen geholfen werden kann, war der gemeinsame Nenner, auf den man sich letztlich einigen konnte. So endete der dritte Kongreß dieser Art am Sonntag mit der Gründung eines Vereins zur Förderung der Popularmusik auf Bundesebene.

Sinn und Zweck dieses ersten bundesweiten Zusammenschlusses soll vor allen Dingen der Austausch von Informationen über Förderungsmöglichkeiten und Auftrittsmöglichkeiten für Bands im semiprofessionellen und Amateurbereich sein. Wie wenig die verschiedenen Initiativen und kommunalen Ämter dabei bisher über ihre jeweiligen Landes- oder gar Stadtgrenzen hinausgeblickt haben, wurde gerade bei diesem dreitägigen Treffen deutlich, wo Musiker, Kulturbeauftragte und Musikjournalisten von Hamburg bis München über ihre Erfahrungen mit Förderprojekten diskutierten. So kritisierte beispielsweise Roger Schaumburger vom ID Kultur e.V. in Ostberlin, daß zwischen Rockmusikinitiativen in Ost- und Westberlin zwar Kontakte bestünden, die Arbeit jedoch nach wie vor nebeneinander herliefe.

Umstritten blieb das Ost/West- Berliner Projekt eines „Handbuches der deutschen Musikszene“. Im Vordergrund der Handbuch- Idee stand der Wunsch, jungen Musikern mit einem dicken Infoteil zu Veranstaltungsorten, Festivals etc. zur Seite zu stehen, unter anderem, um Beutelschneidern wie den privaten Verkäufern von Veranstaltungsadressen das Handwerk zu legen. Durchsetzen konnte sich das Projekt nicht, da besonders der schnelle Wandel in der Clubszene, so hieß es, eine solche Idee unpraktikabel mache – „Das hält nicht länger als ein Becher Quark.“

Ausgebaut werden soll hingegen der Bandaustausch. Bob Läßig vom Rockbüro Süd in München hat mit diesem Konzept bereits gute Ergebnisse erzielt: „Als ,Fury in the Slaughterhouse‘ zum ersten Mal in München gespielt haben, waren gerade mal fünfzig Leute da. Wenn eine Band von außerhalb den Abend hingegen gemeinsam mit einer Gruppe aus der Umgebung bestreitet, ist der Laden voll, und beim nächsten Mal ist der Erfolg gesichert.“ Bei der Frage nach der Finanzierung von Rockmusikförderung wurde wieder einmal deutlich, daß hier nach wie vor nicht mit den Argumenten der E- Musik-Lobby operiert werden kann. Denn, so Rosi Lang vom Kölner Rockbeirat, „Popularmusik wird kulturpolitisch immer noch nicht ernst genommen“.

Gastgeberin des diesjährigen Bundeskongresses war das im Oktober vergangenen Jahres gegründete Kölner Nordrock-Projekt. Michael Schweiger, Kopf des Projektes, versucht in erster Linie mit sozial- und jugendpolitischen Argumenten Mittel an Land zu ziehen. In Köln-Chorweiler, einem sozialen Brennpunkt mit 96 Nationalitäten im Kölner Norden, wo das Nordrock-Büro seinen Sitz hat, sind solche Ansätze sicherlich überzeugend, wenngleich er in seinem missionarischen Eifer leicht über das Ziel hinausschießt: „Wenn wir ab und zu ein Rap- Konzert organisieren, sind die Kids auch bereit, sich mal auf eine Rockband einzulassen.“

Bereits der Name der frisch aus der Taufe gehobenen „Bundesarbeitsgemeinschaft der Musikinitiativen“ signalisiert jedoch, daß es hier nicht nur um Rockmusik im engeren Sinne gehen soll, obwohl die meisten der 27 Gründungsmitglieder eher aus der Rockszene kommen und nur zähneknirschend Konzessionen an den Rap- und Techno-Hunger der Kids in Deutschlands Jugendzentren machen. Anne-Béatrice Clasmann

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