piwik no script img

Kritik an Angriffen auf Irak

■ UNO-Sicherheitsrat beginnt Beratungen auf Aufforderung Moskaus / Arabische Kritik an den USA / Irak signalisiert Verhandlungsbereitschaft

Washington/Moskau (AP/dpa/ taz) – Die fortgesetzten Luftangriffe der USA, Frankreichs und Großbritanniens gegen den Irak haben Bedenken hervorgerufen: Die russische Regierung in Moskau machte sich nach Absprache mit arabischen Staaten zum Sprecher der Kritiker und schlug ein Treffen des UN-Sicherheitsrates vor.

In einer Note des russischen Außenministers Kosyrew an seinen amerikanischen Noch-Amtskollegen hieß es, zwar liege der Schlüssel für die Normalisierung der Lage in Bagdad, das wiederholte Warnungen mißachtet habe; Rußland gehe jedoch „weiterhin fest von dem Grundsatz aus, daß die Reaktion auf die Handlungen des Irak angemessen sein muß“ und eine „Entscheidung“ des Sicherheitsrates zur Grundlage haben müsse. US-Außenminister Eagleburger hatte nach dem ersten Militärschlag vom vergangenen Mittwoch noch betont, daß Moskau voll und ganz hinter dem amerikanischen Vorgehen gegen Bagdad stehe.

Für gestern nacht wurde daraufhin eine Sitzung des Rates hinter verschlossenen Türen angesetzt. In der New Yorker UNO-Zentrale war bereits am Wochenende offiziell moniert worden, daß sich die US-Regierung bei ihren Angriffen am Wochenende auf ein nicht vorhandenes UN-Ultimatum berufen habe. Joe Sills, der Sprecher von UN-Sekretär Butros Ghali, bezog sich auf die Erklärung des US-Präsidenten Bush vom Freitag, Saddam Hussein sei „von der UNO“ zur Erteilung einer Fluggenehmigung „bis 16.00 Eastern Standard Time“ (22.00 MEZ) aufgefordert worden zu sein. Sills erklärte dazu: „Es ist kein UN-Ultimatum.“ Tim Trevan, stellvertretender Vorsitzender der vom Sicherheitsrat eingesetzten Kommission zur Vernichtung der irakischen Massenvernichtungswaffen, erklärte: „Man hätte Bezug auf die Koalition nehmen müssen“ – also auf Frankreich und Großbritannien, nicht auf die UNO. UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali hatte es am Wochenende gar die Sprache verschlagen. „Ich habe dazu keine Erklärung abzugeben“, ließ er seinen Sprecher erklären.

Empört über die Angriffe auf den Irak zeigte sich nicht nur der jordanische König Hussein, sondern auch führende Politiker all jener arabischer Staaten, die sich während des Golfkrieges der internationalen Allianz gegen den Irak angeschlossen hatten, allen voran Ägypten.

US-Drohungen – irakische Kompromißtöne

Berater des neuen US-Präsidenten Bill Clinton haben sich nach Presseberichten für eine Eskalation der Angriffe gegen den Irak ausgesprochen. Unter Berufung auf Quellen aus Clintons Übergangsteam hieß es gestern, mehrere Berater wollten die „wankelmütige“ Politik des bisherigen Präsidenten Bush abbrechen, die ihrer Ansicht nach dem irakischen Staatschef Saddam Hussein die Initiative überlasse.

Auch Generalstabschef Colin Powell setzt sich den Berichten zufolge für eine Ausweitung der Luftangriffe ein. Ein Sturz Husseins könne nur durch seine eigenen Truppen herbeigeführt werden. Zwar seien die irakischen Eliteeinheiten derzeit nicht frustriert oder zornig genug, um gegen Hussein zu rebellieren. Dies könne sich aber ändern, wenn sie in eine größere Militäraktion einbezogen würden und selbst unter Angriffen litten.

Ein enger Berater des irakischen Präsidenten Saddam Hussein, Abdelk Dschaber Mohssen, signalisierte unterdessen Dialogbereitschaft gegenüber der neuen US-Regierung. Der Irak sei kein Feind der USA, schrieb er in einem offenen Brief in der irakischen Tageszeitung Al Thaura. Es handele sich um seine persönliche Einschätzung der Lage, die aber mit der Auffassung der irakischen Regierung übereinstimmen könne, hieß es in dem Text. Wie gestern in Rom bekannt wurde, hat der Vatikan ein Ersuchen Bagdads um Vermittlung im Konflikt zwischen dem Irak und der UNO akzeptiert.

Der Irak hat nach UNO-Angaben auch die sechs Grenzposten im Norden Kuwaits abgebaut, deren Räumung die UNO gefordert hatte. Der kuwaitische Informationsminister Scheich Nasser el-Sabah hatte am Sonntag darauf hingewiesen, daß die Iraker mit dem Abbau begonnen hatten.

Kurdenführer Barsani verläßt sich auf den Westen

Irbil (dpa) – Der Führer der irakischen Kurden, Massud Barsani, verläßt sich auf den Schutz des Westens vor dem Irak. In einem am Dienstag veröffentlichten Interview des Londoner Guardian sagte Barsani, ihm sei versichert worden, daß die Alliierten eingreifen würden, wenn Iraks Staatschef Saddam Hussein Kurdensiedlungen zu erobern versuche. Im Grenzgebiet seien bereits neue irakische Truppenkonzentrationen beobachtet worden, angeblich seien auch Raketen auf kurdische Städte gerichtet. „Solange der Westen jedoch den Luftraum überwacht und Verteidigungsminister Ali Hassan el-Madschid keine chemischen Waffen einsetzen kann, kann er seinen Traum, Kurdistan erneut zu erobern, begraben“, sagte Barsani. Wenn der Irak dennoch angreife, würden die Peschmerga zurückschlagen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen