Zeit für ein Gedicht

■ betr.: "Ruinöser Wettbewerb in der Altenhilfe", taz vom 13.1.93

Betr.: „Ruinöser Wettbewerb in der Altenhilfe“, taz vom 13.1.1993

Hiermit möchte ich mich auf den Bericht über die unterschiedliche Behandlung in der Personalabteilung bei staatlichen Heimen oder Heimen vom Diakonischen Werk in der Altenpflege beziehen. Da ich selbst in einem Altenheim vom Diakonischen Werk arbeite, möchte ich mit meinem Gedicht darauf aufmerksam machen, wie sehr wir alle, die wir in der Altenpflege tätig sind, unter Zeitnot leiden. Hella Fahnenschreiber

Zeitnot — Notzeit

Zeit

beherrscht meine Arbeit,

ich pflege

Alte und Kranke

nach der Uhr.

Das Wandern

der Zeiger

setzt das Maß.

Pflegestufe I

Die Zugluft

meines Kommens

hängt

noch im Zimmer

wenn ich gehe.

Pflegestufe II

Es bleibt

so viel Zeit,

daß der Hauch

der Bewegung

zur Ruhe kommt

bevor ich den Raum

wieder verlasse.

Pflegestufe III

Pflege rund um die Uhr

Raum ohne Windzug:

betten, waschen,

Worte,

kein Gespräch,

Zeit-Einteilung.

Trost

ist

nach Ablauf

der zustehenden Zeit

nicht mehr möglich.

Versuch eines Ausbruchs

wird

durch Kontrolle

der Arbeitszeit

verhindert.

Nur am Ende

der Lebenszeit

wird

ein Minimum

zusätzlicher Zeit

eingeschoben.

Windstille.

Fazit,

bezahlte Zuwendungszeit

fördert

die Zeit

der Lieblosigkeit.

Zeitfrage:

Frage nach der Zeit.

Wann ist der Mensch

Mittelpunkt

des Zeit-Geschehens?