: Stadtteilgeschichte einsammeln
■ Das Waller Stadtteilarchiv, die alten Leute und Cecilie Ecklers von Gleichs ABM-Stelle
Stadtteilgeschichte einsammeln
Das Waller Stadtteilarchiv, die alten Leute und Cecilie Ecklers von Gleichs ABM-Stelle
Vor zehn Jahren kam der alte Herr Vogel mit seinen Vorkriegsfotos aus dem Stadtteil Utbremen im Waller Steffensweg vorbei. Er hatte von der neueingerichteten Geschichtsgruppe im Kulturladen „Brodelpott“ gehört und wollte nur mal anfragen. Inzwischen hat Herr Vogel sich zum Stadtteilforscher entwickelt und ohne seine Hilfe bei der Arbeit für das Fotoarchiv wäre Cecilie Eckler von Gleich, die Archivarin, aufgeschmissen.
Über 1500 Fotos aus Walle und Umgebung sind nämlich im Laufe der Jahre gesammelt, abfotografiert, durchnummeriert, photokopiert und beschriftet worden. Immer noch kommt wöchentlich neues Material hinzu, vor allem von den alten Menschen aus Walle. Herr Krähmer kennt sich aus in Bauplänen und Architektur. Eine alte Dame knüpft immer wieder neue Kontakte zur Nachbarschaft. Und Herr Querenheim hatte schon vor Gründung des Brodelpotts eine riesige heimatforscherliche Fotosammlung, die er jetzt (leider) mit ins Altenheim genommen hat.
„Ich mache hier auch eine Art Sozialarbeit“, sagt Cecilie, „was nicht heißt, daß die vielen Gespräche mit den Leuten zu ihren Materialien nicht ein Gewinn für das Archiv wären. Wir sammeln hier die Geschichte des Stadtteils ein.“
Und bringen sie wieder nach außen: gutgemachte kleine Bröschüren, z.B. über die Juden in Walle oder die ehemalige große Jutespinnerei, thematische Diavorträge, Ausstellungen, wie die zu den antialkoholischen Ottilie- Hoffmann-Häusern: die Waller Geschichtsgruppe trägt entschieden bei zur Kommunikation in und über den Stadtteil.
Auch in Hemelingen, Gröpelingen, Mahndorf und andren Stadtteilen gibt es an die Kulturläden angeschlossene Geschichtsgruppen und Archive. Oft entsteht eine gute Zusammenarbeit mit den Archiven der großen Betriebe wie Klöckner oder Haakebeck. Mit der Immanuel-Gemeinde in Walle gab es schon eine eine gemeinsame Ausstellung .
„Von uns hier hieß es früher immer: die im Waller Archiv, das sind die Bürgerlichen“, sagt Cecilie, „wir haben hier nie nur 3. Reich oder Arbeiterbewegung gemacht. Wir wollten nicht nur für eine bestimmte Szene arbeiten, sondern für den ganzen Querschnitt der Waller Bevölkerung. Jeder kann kommen und ganz einfach nachsehen, ob es noch ein Foto vom Elternhaus gibt“.
Die Waller haben ein besonderes Bedürfnis nach einem funktionierendem Archiv, denn der Westen ist Bremens durch den 2. Weltkrieg am schrecklichsten zerstörte Stadtteil. Das Gebiet um den Hafen und viele der typischen kleinen, den Bürgerhäusern nachempfundenen Arbeiterhäuser gingen unter. Im Waller Archiv finden sich oft überraschende Denkmäler.
Cecilie Eckler von Gleichs ABM-Stelle ist gefährdet. Ohne sie würde das Archiv in seinem jetzigen Zustand nur schwer für andere zugänglich sein. Die gegenwärtige Stadtteil-Entwicklung kann aus Arbeitskräftemangel gar nicht verfolgt werden. — Naja, dann haben nachfolgende Generationen auch noch was zu forschen. Cornelia Kurth
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