Bonn-apart: Schwule wagen sich vor
■ In der Jungen Union gründet sich ein Schwulenverband
Bonn (taz) – Nein, hier wird nicht verraten, welche Bonner Minister schwul sind, ohne daß dies von Rosa von Praunheim bisher entdeckt worden wäre. Das zu berichtende Ereignis findet auch nicht in Bonn statt. Aber genau dieser Umstand sagt einiges über den Provinzmief, der den Regierungssitz beherrscht.
Es ist einigermaßen unerhört, was am 19. Februar im benachbarten Köln passieren soll: Ein knappes Dutzend Mitglieder der Jungen Union trifft sich, um die Gründung eines Schwulenverbands innerhalb der CDU-Jugendorganisation vorzubereiten.
„Es kann doch nicht sein, daß nur Heteros Mitglied von CDU und CSU sind“, begründet der Initiator Rémon Morschett seinen Plan. Er ist CDU-Organisationsleiter in einem Vorort von Saarbrücken und hat in seinem Landesverband schon erlebt, wie schwierig es ist, offene Homosexualität und die Mitgliedschaft bei den Christdemokraten zu verbinden. Vor zwei Jahren wurde ein Mitglied des Landesvorstandes der Jungen Union zum Rücktritt gedrängt, nachdem er sich selbst geoutet hatte.
„Es gibt viele Karrieristen in der JU“, sagt Morschett. „Bei denen ist die Angst groß, daß es ein Aufstiegshindernis ist, wenn sie geoutet werden.“ Einige Sympathisanten der Idee eines Schwulenverbands in der Jungen Union hielten sich noch „im verborgenen“ und warteten ab, wie sich die Sache entwickelt. Die bisherigen Reaktionen findet der Initiator ermutigend: Außer dem Saarland reagierte bisher keiner der Landesverbände offen negativ auf den Plan, nicht einmal die konservativen Verbände in Bayern und Braunschweig.
Unterstützung findet der Saarländer beim JU-Bundesverband. Dessen Pressesprecher Holger Doetsch hat seine Bisexualität bereits publik gemacht und bisher keine ablehnenden Reaktionen seiner Verbandskollegen erlebt. Die schwulen Unionisten wollen mit ihrem Arbeitskreis nun nicht nur ihre Forderungen propagieren – gegen den Paragraphen 175, für Schwule in der Bundeswehr –, sondern auch prominentere Parteifreunde ermutigen, sich selbst zu outen. Ein saarländischer Bürgermeister und der Pressesprecher eines Berliner CDU-Senators sollen „Wohlwollen“ signalisiert haben. Bonner CDU-Größen noch nicht. Hans-Martin Tillack
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