: Senat soll nach schwarzen Löchern suchen
■ Zwei Vorlagen für die Finanzklausur / Keiner weiß, wofür 1992 mehr Geld ausgegeben worden ist als geplant
Wenn der Bremer Senat am Mittwoch zur Sondersitzung zusammenkommt, um über die Finanzlage zu beraten und im Etat 1993 noch einmal 200 Millionen Mark zu streichen, wird es zwei Vorlagen geben: Eine vom Finanzsenator, der dafür zuständig ist, und eine, die bei der Koalitions-Klausur in Bederkesa ausgehandelt und vom Rathaus zusammengefaßt wurde.
Ungewöhnlich ist nicht nur, daß der Finanzsenator mit seinen Vorschlägen in die Sitzung geht, ohne daß vorher mit den Ressorts darüber beraten wurde. Ungewöhnlich ist auch, daß das Rathaus sich als Ersatz- Finanzsenator betätigt. Aber dem Finanzsenator Kröning blieb keine andere Wahl, nachdem er zu der Koalitions-Klausur in Bederkesa nicht eingeladen worden war.
Die Fronten scheinen weitgehend verhärtet: Keines der Ressorts hat nach der Übersicht des Rathauses mitgeteilt, daß es die von Kröning geforderte zusätzliche Sparquote erbringen kann. Die Senatskanzlei droht damit, sie müsse die Öffentlichkeitsarbeit einstellen, der Innensenator sieht sich „nicht in der Lage“, die Kultursenatorin sagt: „Dann werden wir ganze Institutionen schließen müssen“, der Häfensenator will die Hafenunterhaltung von der Sparquote ausgenommen wissen, der Senator für Bundesangelegenheiten teilt mit, sein ganzes Ressort müßte im Interesse Bremer Lobby-Politik von der Sperre ausgenommen werden.
„Es gibt eine irrsinnige Kluft zwischen dem Bild nichts geht mehr und dem realen Ausgabenzuwachs“, stellt Umweltsenator Ralf Fücks fest. Die vom Finanzsenator vorgelegten Zahlen zeigen in der Tat erstaunliche Ausgaben-Zuwächse: Allein vom Jahr 1991 auf das Jahr 1992 summieren sie sich auf 7,2 Prozent, die Inflationsrate herausgerechnet immerhin noch 3,2 Prozent. Das ausgabenfreudige Wahljahr 1991 hinzugerechnet hat Bremen seinen Etat im Verhältnis zu 1990 um stolze 18.9 Prozent aufgebläht.
Wo ist das Geld hingeflossen? „In den sensiblen Bereichen wird die Sparpolitik wirksam,“ sagt Ralf Fücks, aber insgesamt habe die Landesregierung mit dem Sparen doch noch nicht richtig begonnen, wie das Zahlenwerk zeige. Da auch der Finanzsenator ratlos ist, wie die Mehrausgaben zu erklären sind, hat er die einzelnen Ressorts gebeten, bis zum 31.3.1993 „darzulegen, welche (Aufgaben-) Ausgabenbereiche ihres Ressorthaushaltes sich überproportional und welche sich unterproportional entwickelt haben“. Dies vor dem Hintergrund der Schelte, die Ressorts könnten nicht haushalten, hat Krönings Senatskollegen aufgebracht: „Warum hat denn Kröning keinen Überblick? Das ist ein Armutszeugnis für den Finanzsenator“, schimpft Helga Trüpel. In der Tat muß jede Ausgabe, die den Haushaltsansatz überschreitet, von der Finanzdeputation beschlossen werden — mit Zustimmung des Finanzsenators. „Der Mann hat seine Hausaufgaben nicht gemacht“, findet auch Ralf Fücks. Offensichtlich gebe es kein „vernünftiges Finanzcontrolling“ durch das Kröning-Ressort, auch außerplanmäßige Personalausgaben würden von Krönings SKP verwaltet. „Eine differenzierte Finanzbuchhaltung müßte doch möglich sein“, sagt Fücks.
Gestern immerhin haben die Staatsräte eine vierteljährliche Kontrolle verabredet. Am Mittwoch wird vermutlich die Vorlage aus Bederkesa beschlosen, nach der die einzelnen Ressorts selbst entscheiden können, an welcher Stelle sie ihre Sparquote erbringen. Wenn die Zentralressorts Finanzen und SKP mit ihrem bürokratischen Apparat die Kontrolle nicht leisten können, dann müßte die Devise sein: „Mehr Autonomie und Verantwortlichkeit der Ressorts“, findet Fücks. Die SKP verbrauchte 1992 glatte 24 Prozent mehr Geld dafür, deutlich weniger Personal als 1990 zu verwalten. K.W.
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