■ Mit Gemeindefinanzen auf du und du
: Autofetischisten in deutschen Rathäusern

Berlin (taz) – Fast alle Würdenträger in den deutschen Rathäusern sind motorisiert. Und wenn sie nach einer halbstündigen Teilnahme am Parksuchverkehr endlich eine Lücke gefunden haben, scheint ihnen kein Problem vordringlicher als der Bau einer neuen Tiefgarage. Diese Erfahrung prägt ganz offensichtlich die Finanzplanung in den Stadtparlamenten.

Zum Beispiel Freiburg: Rund 20 Prozent des Geldes, das die Stadt für jede Bewohnerin und jeden Bewohner zur Verfügung hat, steckt sie in die Subventionierung des Autoverkehrs. Das sind rund 360 Mark pro Einwohner im Jahr. Und auch im romantischen Ihringen am Kaiserstuhl schlagen die Ausgaben für den privaten Verkehr mit 250 Mark je Gemeindemitglied zu Buche – bei einer jährlichen Steuerkraftsumme von 1.223 Mark für jeden der 5.000 Bewohner. Das hat eine Arbeitsgruppe des VCD, Kreisverband Südlicher Oberrhein errechnet, die in drei verschieden großen Gemeinden die Finanzhaushalte unter die Lupe genommen hat.

„Nicht nur der Straßenbau und die Einrichtung von Parkplätzen sind Subventionen für den Autoverkehr“, erläutert Berthold Noeske die Berechnungsmaßstäbe. „Auch der Bürgermeister nutzt ja sein Amtszimmer zu einem Teil für verkehrspolitische Aufgaben.“ Deshalb hat die VCD-Gruppe nicht nur das Gehalt, sondern auch die Kosten für einen neuen Schreibtisch und den Bleistift des Bürgermeisters mit 10 Prozent veranschlagt. Und auch der Etat für Berufsschulen geht nach Einschätzung der VCD- Gruppe zu 10 bis 20 Prozent für Kfz-Infrastruktur drauf; schließlich kostet ein neu erstellter Parkplatz mit Markierungen zwischen 8.000 und 15.000 D-Mark.

Weil dieser Posten aber vielleicht etwas hoch gegriffen ist, wird von den LehrerInnen an Grund- und Hauptschulen angenommen, sie kämen alle zu Fuß.

Zwar hat sich die Forschungsgruppe von Leuten beraten lassen, die mit dem Innenleben von Ämtern vertraut sind. Die einzelnen Annahmen hält der VCD-Kreisverband aber durchaus für angreifbar. „Wir wollten mit dieser Untersuchung auf die Dimensionen von Kosten hinweisen, die nur Menschen mit einem Kraftfahrzeug zugute kommen“, so Noeske. Daß die VCD-Aktivisten insgesamt aber gar nicht so falsch liegen zeigt eine Aufstellung, die die kleine Kreisstadt Emmendingen selbst gemacht hat: auch diese Berechnung geht davon aus, daß der Individualverkehr mit 225 Mark pro Kopf subventioniert wird bei einer Steuerkraftsumme von 1.720 Mark.

Die Gesamtausgaben für den PKW-Verkehr in den untersuchten Orten aber sind natürlich wesentlich höher, weil viele Straßen aus Bundes- und Landesmitteln bezahlt werden. Und auch neue Straßenlaternen müssen häufig nicht oder nicht vollständig aus den Steuereinnahmen der Gemeinden finanziert werden. Annette Jensen