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SanssouciNachschlag

■ Rachid Boudjedra im Institut Francais

Die Stellung der Frau in Algerien und im islamischen Fundamentalismus behandeln die Texte, die der algerische Schriftsteller Rachid Boudjedra vorstellte. Sie tun es in unterschiedlicher Weise: Der Roman „Der Regen“ erzählt das Leben einer Ärztin, „Söhne des Hasses“ ist ein politischer Essay – oder vielmehr ein Pamphlet, verfaßt von einem Intellektuellen, der selbst auf der Abschußliste der FIS, der „Front islamique du Salut“, steht.

„FIS de la haine“ lautet denn auch der französische Titel (FIS spricht man genauso wie fils: Söhne) des 1992 erschienenen Werkes, das jetzt auf deutsch vorliegt. Die Streitschrift gegen den „grünen Faschismus“ wende sich in erster Linie an das Ausland, erklärte der Verfasser, der den europäischen Staaten Blindheit gegenüber und sogar Komplizität mit den integristischen Agitatoren vorwirft: „Mißbrauch des Asylrechts“ beanstandete er vor allem in der Bundesrepublik in dem für die deutsche Ausgabe verfaßten Nachwort: Falsch verstandene Humanität gewähre den Rädelsführern einer faschistischen Organisation nicht nur Unterschlupf, sie biete ihnen auch Operationsbasen.

Eigentlich hätte es ja, in Anbetracht der absichtlich provozierenden Lektüre, zu einer lebhaften Debatte kommen müssen; die sich nach anfänglichem Zögern auch ergab – bloß nicht zu den von Boudjedra angesprochenen Themen. Interessanterweise betrafen die Fragen des Publikums an den Autor fast ausschließlich den „Sprachimperialismus“ (den dieser, an anderem Orte, Frankreich vorgeworfen hatte). Die hauptsächlich von Franzosen geleisteten Beiträge rechtfertigten die französische Sprachpolitik: Nicht um Hegemonie ginge es ihr, sondern um Sprachpflege und -förderung, wie sie andere Staaten auch betrieben; oder aber die Zuhörer übten (Selbst-)Kritik; tatsächlich sei die Sprachpolitik Machtpolitik.

Die „grüne Pest“ des FIS wurde erst wieder berührt, als Boudjedra das sprachliche und kulturelle Minderwertigkeitsgefühl vieler Algerier als einen der Gründe für den Zulauf zu den Integristen nannte. Großes Diskussionsbedürfnis – der Veranstalter mußte mehrmals darauf hinweisen, daß keine Wortmeldungen mehr angenommen würden.

Wie beladen das Thema Sprache in Algerien ist, zeigte sich in den letzten Minuten der Debatte: Was der Algerier, der sich zu Wort meldete, eigentlich sagen wollte, erfuhr man nicht – er wollte es nämlich partout auf arabisch sagen. Boudjedra weigerte sich dagegen, die Wortmeldung auf arabisch anzunehmen. Paradoxer Ausgang: Der Algerier formulierte seine Weigerung, Französisch zu sprechen, wutenbrannt – in fließendem Französisch. Iris Michaelis

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