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■ Polen: Steuerfahnder haben kein Geld für Spitzel, trotzdem:Der Nachbar läßt das Schnüffeln nicht

Warschau (taz) – Als vor genau einem Jahr die polnische Steuerfahndung gegründet wurde, ging ein großes Raunen der Empörung durch die Presse. Das entsprechende Gesetz sah nämlich auch vor, Zuträger, die ihre Mitmenschen bei den Finanzpolizisten anzeigen, aus einem speziellen „Operationsfonds“ zu entlohnen, vorrausgesetzt, ihre Hinweise erweisen sich als hilfreich. Hinzu kommt, daß solche Spitzeldienste auch gleich noch steuerlich begünstigt werden, sie unterliegen nämlich nicht der Progression.

Damit wurde quasi über Nacht jeder Pole und jede Polin zum bezahlten Detektiv des Staates erklärt. Doch die Hoffnung, sich per Schnüffeldienst eine goldene Nase zu verdienen, erwies sich als trügerisch.

Zwar sind Polens Steuerfahnder höchst erfolgreich, doch Spitzeln haben sie es nicht zu verdanken, daß die Aufklärungsquote bei Finanzvergehen im Vergleich zu 1991 im letzten Jahr um 280 Prozent anstieg. Kein einziger Steuerschnüffler wurde nämlich bisher entlohnt, weiß die Presse nun zum Jahrestag der umstrittenen Institution zu berichten.

Der Grund ist einfach: Für den Fonds hat das Finanzministerium bisher noch gar keine Ausführungsverordnung herausgegeben. Hinzu kommt, daß nach Aussage der Fahnder auch kein einziger „Hinweis aus der Bevölkerung“ Geld aus dem Fonds wert gewesen wäre. Im Gegenteil – die Behördenvertreter sind inzwischen selbst dafür, den Fonds mitsamt dem dazugehörigen Paragraphen abzuschaffen.

Kaum hatte sich die Nachricht in Polen verbreitet, daß man durch das Anschwärzen seines ungeliebten Nachbarn Geld verdienen kann, da wurden die Steuerfahnder von einer dermaßen überwältigenden Masse Anzeigen überschwemmt, daß sie für vernünftige Tätigkeiten kaum noch Zeit hatten. Denn natürlich ist ein aufrechter Beamter verpflichtet, jedem Hinweis nachzugehen, um Geld in Polens löchriges Staatssäckel zu bekommen. Eine Aufgabe, die nicht nur das Menschenmögliche, sondern auch das Zumutbare zu übersteigen begann, glaubt man der Presse, die begann, aus beispielhaften „Anzeigen“ zu zitieren. Demnach ist das Schreiben von Anzeigen an die Steuerfahndung zum Massensport für Dorftrottel geworden:

Geschiedene Männer schwärzen ihre Ex-Ehefrauen an, die revanchieren sich bei Nebenbuhlerinnen, Bauer verpetzt Bauer, weil letzterer sich plötzlich ein neues Pferd leisten kann, Wohnblocknachbarn überwachen gegenseitig ihren täglichen Konsum, ein Steuerhinterzieher bezichtigt den anderen, ein noch größerer Steuerhinterzieher zu sein usw. usf.

Einen Sinn macht das alles nicht, denn da auf einen Steuerfahnder mehrere tausend Firmen kommen, hat das Amt gar keine Möglichkeit, sich um kleine Schwarzhändler oder die Autowerkstatt um die Ecke zu kümmern, die nach Feierabend noch ein paar Stunden ohne Rechnung arbeitet.

Da man die besten Hinweise, wie man Steuern hinterzieht, in Polen ohnehin auf dem Finanzamt erfährt, müßten die Fahnder außerdem im eigenen Ministerium mit den Prüfungen beginnen und dann, entsprechend der Ausdehnung des polnischen Massensports Steuerhinterziehung, sukzessiv das ganze Land einsperren.

Inzwischen haben sie auch tatsächlich schon das erste schwarze Schaf in den eigenen Reihen erwischt – einen Steuerfahnder, der sich sein kärgliches Gehalt im Urlaub per Schwarzhandel auf Warschaus Straßen aufbesserte. Der wurde aber, so versicherte sein Chef im Fernsehen, fristlos gefeuert. Klaus Bachmann

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