: „Deportationskrise“ für Israel beendet
UN-Sicherheitsrat akzeptiert amerikanisch-israelischen Kompromiß/ Regierung in Jerusalem fühlt sich als Siegerin/ Dank an Christopher/ Ablehnung bei den Palästinensern ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Mit großer Befriedigung hat die Regierung in Jerusalem am Wochenende die Erklärung des gegenwärtigen Vorsitzenden des UN-Sicherheitsrats, Ahmed Snoussi, zu den deportierten Palästinensern aufgenommen. Ungeachtet der Tatsache, daß Israel die Resolution 799 über die Rückkehr der 400 im Libanon Ausharrenden nicht umgesetzt hat, ist damit das Thema „Deportationskrise“ von der Tagesordnung des Weltsicherheitsrates abgesetzt. In seiner Erklärung akzeptierte Snoussi, ein Marokkaner, praktisch das amerikanisch-israelische Kompromiß- Abkommen vom 1. Februar, das den Deportierten ein Recht auf Berufung zugesteht, die sofortige Rückkehr von 101 Palästinensern vorsieht und die Dauer der Verbannung von zwei auf ein Jahr verkürzt.
Der Ratspräsident, der die Rückkehr eines Teils der Palästinenser als „einen Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnete und Israel aufforderte, die Heimkehr der anderen „so schnell wie möglich“ zu erlauben, hatte sich zuvor mit den Mitgliedern des Gremiums abgestimmt. Weitere Konzessionen seitens der israelischen Regierung werden nicht gefordert. Im Unterschied zu einer formellen Resolution hat die Erklärung keinen bindenden Charakter.
Kein Wunder also, wenn Regierungskreise in Jerusalem die mit Hilfe Washingtons erzielte „Erledigung“ dieser Affaire vor der UNO als einen wichtigen Sieg betrachten. Der israelische UN-Vertreter Gad Jakobi kommentierte: „Das ist also das Ende der Geschichte. Das ist das, was wir wollten – nämlich daß die Deportationsangelegenheiten nicht mehr auf der Tagesordnung des Sicherheitsrats erscheinen. Weitere Schritte sind unnötig, und es wird demnach auch keine mehr geben.“
Der israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin brachte seine „große Genugtuung“ zum Ausdruck und bedankte sich bei dem neuen US-amerikanischen Außenminister Warren Christopher, der – amtlichen israelischen Quellen zufolge – die Angelegenheit „definitiv vom Tisch der UNO geräumt haben wollte“, bevor er am 17. Februar seine Nahostreise antritt. Dabei will er sich um die Wiederankurbelung des eingeschlafenen Friedensprozesses bemühen. Die Verhandlungen in Washington sollen in der zweiten Aprilhälfte fortgesetzt werden.
Unter anderem wird Christopher vermutlich mit Hilfe arabischer Regierungen Mittel und Wege suchen, die der palästinensischen Delegation die Beteiligung an den Verhandlungen wieder ermöglicht. Gegenwärtig macht sie die Wiederaufnahme der Gespräche von der Rückkehr aller Deportierten gemäß der Resolution 799 abhängig. Eine Rückkehr an den Verhandlungstisch ohne vorherige Erfüllung dieser elementaren Forderung würde die palästinensische Führung von der großen Mehrheit der Bevölkerung in den besetzten Gebieten isolieren.
In Jerusalem erklärte Ghassan Khatib, Mitglied der palästinensischen Verhandlungsdelegation, daß die Umgehung der Resolution 799 ein gefährlicher Präzedenzfall sei, der die Durchführung anderer Resolutionen in Frage stelle. Darauf könnten sich die Palästinenser nicht einlassen.
Delegationsberater Ziad Abu Zayad aus Ostjerusalem wies darauf hin, daß nicht nur die weiterhin ungelöste Deportiertenfrage ein Hindernis für die Erneuerung der Verhandlungen mit Israel bilde: durch tagtägliche Unterdrückungsmaßnahmen in den besetzten Gebieten errichte Israel immer größere Hindernisse für die Fortsetzung des Friedensprozesses. Wenn Israel nicht die notwendigen Schritte einleite, werde die palästinensische Verhandlungsdelegation ihre Unterstützung im eigenen Volk verlieren, meinte Abu Zayad.
Palästinenserführer Feisal Husseini, der am Samstag die zwei Tage zuvor vom israelischen Militär zerstörten 21 Häuser in Khan Yunis im Gaza-Streifen besuchte, wurde von den zahlreichen obdachlosen Familien mit Schmährufen empfangen: „Das macht uns alle zu Hamas-Anhängern. Leute, die jetzt mit Israel verhandeln, werden mit ihren Träumen untergehen.“
Regierungsbeamte in Jerusalem gehen davon aus, daß die gegenwärtige ablehnende Haltung der Palästinenser nicht deren letztes Wort sei. Gegebenenfalls würden die arabischen Staaten, zum Beispiel Syrien, bereit sein, Washington dadurch einen Dienst zu erweisen, daß sie die Deportierten aus dem libanesischen Niemandsland „wegschaffen“. Eine von Christopher gefundene Formel werde es schließlich den Palästinensern ermöglichen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, auch wenn die Deportierten bis dahin noch nicht zurückgelassen wurden. Den Palästinensern werde jetzt klargemacht, daß sie es nun sind – und nicht mehr Israel –, die in der Weltöffentlichkeit isoliert dastehen.
Dazu hieß es gestern in einem Kommentar der Zeitung Davar, die Palästinenser seien gezwungen, ihre taktische Niederlage einzustecken und wieder bei den Friedensverhandlungen zu erscheinen. Die Alternative wäre, schmollend zu Hause zu bleiben und so ihre Isolation in der Welt hinzunehmen. Die neue US-Regierung scheine den Palästinensern wenig Aufmerksamkeit zu schenken, schrieb das Blatt. Die Regierung in Washington (wie auch Israel) wolle sich jetzt mehr auf die Verhandlungen mit Syrien einstellen. Die Haltung der neuen US-Regierung zu Nahostfragen basiere auf rein realpolitischen, pragmatischen Überlegungen ohne jedwede Sentimentalitäten. Das werde die Palästinenser dazu zwingen, keine größeren Ansprüche mehr zu stellen, sondern sich sachlich zu verhalten und einen moderaten Kurs einzuschlagen – auch weil sie sich nicht länger auf eine Koordination mit den anderen arabischen Verhandlungspartnern Israels verlassen könnten, hieß es in dem Kommentar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen