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St.-Jürgen-Klinik-Chef soll zurücktreten

■ Konsequenz aus 9,5-Millionen-Loch: Gesundheitssenatorin will neue St.-Jürgen-Direktion / Heute Personalversammlung

Der Direktor des Krankenhauses St.-Jürgen-Straße, Karl Spindler, soll seinen Posten zur Verfügung stellen. Das erklärte gestern die Spitze des Gesundheits-Ressorts, nachdem die taz das aktuelle Defizit der Klinik öffentlich gemacht hatte. Staatsrat Hans-Christoph Hoppensack hat gestern vormittag noch den Personalrat davon unterrichtet. Doch der denkt vorerst nicht daran: Der Klinikchef wolle erstmal weitermachen, teilte Hoppensack mit.

Das Gesundheitsressort hatte bestätigt, daß im Etat der St.-Jürgen-Klinik nicht etwa 3,6 Millionen Mark fehlten, wie der Klinikdirektor Spindler dem Krankenhausausschuß noch im Dezember vorgerechnet hatte. Sicher scheint jetzt, daß das Defizit 9,5 Millionen Mark schwer ist. Daraus soll der Klinikchef jetzt die Konsequenzen ziehen. Heute mittag findet eine Personalversammlung des St.-Jürgen-Krankenhauses statt, bei der das Thema Finanzloch auf der Tagesordnung steht.

Unverhofft kommt oft: Neue Rechnungen aus Juni und Juli

Wie das Defizit zustande gekommen ist, das konnte Spindler dem Personalrat allerdings gestern nicht erklären. Es fehle an Finanzcontrolling, meinte er. In der Finanzabteilung des Krankenhauses gingen jetzt unerwartete Rechnungen von Juni/Juli ein, versuchte Spindler die Überraschung gegenüber seinem Kenntnisstand vom Dezember zu rechtfertigen.

Den Leiter der Abteilung Controlling hatte Spindler selbst von den Bremer Jugendwerkstätten abgeworben. Der hat sich allerdings schon vor einiger Zeit beurlauben lassen, weil er — wie hinter vorgehaltener Hand erzählt wird - für die Suche nach einem neuen Job Zeit braucht, aber nicht sicher sei, daß er einen findet. Eine Vertretung wurde nicht eingestellt mit der arbeitsrechtlichen Begründung: Wer weiß, ob die Stelle wirklich frei wird und der Mann nicht wiederkommt.

Die Kritik sei überzogen: In einem 305-Millionen-Etat seien 9,5 Millionen Defizit nicht so viel. Er wolle nun beim Personal sparen, sagte Spindler gestern gegenüber Radio Bremen.

Daß so für das laufende Jahr 1993 ein geringeres Defizit erwirtschaftet werden könnte, glaubt allerdings niemand im Krankenhaus-Ausschuß, dem Aufsichtsgremium der staatlichen Kliniken. Man hatte auch ohne die aktuell bekanntgewordene Mißwirtschaft mit einem erheblichen Defizit für 1993 gerechnet: Die Bonner Gesundheitsreform führt dazu, daß Großkliniken wie die St.-Jürgen-Straße nach einem veränderten System abrechnen müssen. Nicht mehr die Leistung der Klinik ist der Schlüssel für die Verhandlungen mit den Kassen, sondern durchschnittliche Kosten nach Krankheitsarten. Krankenhäuser, die bisher bei den Kassen einen hohen Pflegesatz durchsetzen konnten, werden systematisch unterfinanziert sein.

Offenbar nimmt die Klinikleitung diese Lage nicht ganz ernst. Von Finanzplänen, wie man reagieren könnte, ist dem Krankenhausausschuß zumindest nichts bekannt. Gegenüber dem Personalrat witzelt die St.-Jürgen-Direktion derweil darüber, wie man auf die neue Situation reagieren könnte: Wie kann man aus einem Patienten für die Abrechnung zwei machen? Damit ließe sich noch Geld lockermachen.

Und das, folgt man Spindler, geht zum Beispiel so: Wenn jemand an beiden Augen operiert werden soll, dann operieren wir doch erstmal das eine Auge. Dann schicken wir den Patienten ein paar Tage nach Hause — und fertig ist die wunderbare Patientenvermehrung. J. Grabler/ K. Wolschner

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