: Nordirlands Anwälte leben gefährlich
US-Bericht an die UNO-Menschenrechtskommission über Einschüchterungen und einen Mord an Verteidigern von IRA-Angeklagten/ Finstere Rolle des britischen Militärs ■ Von Ralf Sotscheck
Dublin (taz) – Nordirische Rechtsanwälte, die Mitglieder der „Irisch-Republikanischen Armee“ (IRA) verteidigen, werden von der Polizei systematisch eingeschüchtert und mit Mord bedroht. Das geht aus einem Bericht des New Yorker Anwaltskomitees für Menschenrechte hervor, der am Donnerstag veröffentlicht und der in Genf tagenden UN-Kommission für Menschenrechte vorgelegt worden ist. Der 90-seitige Bericht beruht auf Gesprächen mit Anwälten, Angeklagten, Regierungsbeamten und Polizisten.
Die vier Mitglieder des US-Komitees, darunter zwei Jura-Professoren und der pensionierte oberste Richter des US-Berufungsgerichts in New York, haben sich vor allem mit Pat Finucane beschäftigt. Dieser Belfaster Strafverteidiger wurde im Februar 1989 von der protestantischen Miliz „Ulster Defence Association“ (UDA) ermordet. In ihrer Presseerklärung berief sich die UDA darauf, daß Finucane IRA-Mitglied gewesen sei. Diese Behauptung, so der US-Bericht, sei von Polizei und britischer Armee vor dem Mord lanciert worden. Polizeibeamte hatten den Anwalt als „Abschaum“ und „IRA-Mann im Anzug“ bezeichnet. Bei einem Verhör sagte ein Polizist zu einem Angeklagten: „Du mußt ein IRA-Bastard sein, weil du einen als Anwalt hast.“
Das US-Komitee wirft auch der britischen Armee eine Beteiligung an der Ermordung Finucanes vor. Der UDA-Nachrichtenoffizier Brian Nelson, der gleichzeitig als Agent der britischen Behörden arbeitete, habe seine Verbindungsleute bei der Armee nämlich bereits Monate vor dem Mord über den UDA-Plan informiert, heißt es in dem Bericht. Dennoch geschah nichts, um Finucanes Leben zu schützen.
Die Ermordung Finucanes sei überdies nur die Spitze eines Eisbergs: „Die Beweise, die uns vorliegen, deuten darauf hin, daß das lediglich der abscheulichste Fall systematischer Schikanierung von Strafverteidigern ist, die einfach nur ihrer Arbeit nachgehen.“
Die US-Anwälte fordern eine öffentliche Untersuchung der Fälle und einen offiziellen Verweis für den früheren Staatssekretär im britischen Innenministerium, Douglas Hogg, weil er im Unterhaus knapp vier Wochen vor dem Mord an Finucane zahlreiche nordirische Rechtsanwälte als „IRA-Sympathisanten“ bezeichnet hatte.
In Reaktion sagte der stellvertretende nordirische Polizeichef Michael McAtamney, der Bericht des US-Komitees enthalte so viele Fehler, daß er keinen Kommentar verdiene. Ein Sprecher des britischen Nordirland-Ministeriums fügte hinzu, der Bericht sei „weder völlig unparteiisch noch ausgewogen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen