piwik no script img

Solidarność mit Profit

Die polnischen Gewerkschaften haben einen Pakt über die Staatsbetriebe unterzeichnet  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Arbeitgeber, Sozialminister und Gewerkschaften haben sich geeinigt. Polens Europaminister Bielecki umschrieb den Sinn des sogenannten „Paktes über die Staatsbetriebe“ so: „Wenn man die Unterstützung der Belegschaften für die Privatisierung will, muß man ihnen klarmachen, daß sie dabei gewinnen.“

Bloß ideologische Überzeugungsarbeit hatte versagt. Gewerkschaften wie Belegschaften blockierten regelmäßig die Privatisierung von Staatsbetrieben. Künftig sollen sie den Weg in die Marktwirtschaft selbst mitbestimmen. Zehn Prozent der Aktien der neuen Firma werden den Belegschaften umsonst überlassen, die in Unternehmen mit über 2.500 Beschäftigten auch Vertreter in den Vorstand wählen.

Außerdem können Betriebe nach dem Pakt leichter entschuldet werden, die Vergleichsprozedur vor Gericht soll entfallen. Wichtigster Punkt aus der Sicht von Gewerkschaften ist indessen die Abschaffung der Dividende, die mit Gewinnanteilen westlicher Art in Polen nur den Namen gemeinsam hat: eine Kapitalverzinsung, die an den Staat zu zahlen ist. Sie kann höher ausfallen als der Gewinn. Da sie vom Buchwert des Vermögens berechnet wird, ist es bisher in Extremfällen vorgekommen, daß moderne Hütten zahlungsunfähig, während veraltete mit ihrem abgeschriebenen Anlagevermögen scheinbar rentabel wirtschaften konnten. Nun sollen auch Staatsbetriebe nach dem Gewinn versteuert werden. Auch die berüchtigte Lohnzuwachssteuer, die seit 1989 jede über der Indexierung liegende Lohnerhöhung mit bis zu 500 Prozent bestraft, wird nun ersetzt durch eine Regelung, die Produktivität und Rentabilität belohnt. Der Unternehmensgewinn nach Steuern wird nun dreigeteilt: Ein Teil geht als Ersatz für die Dividende an den Staat, ein zweiter wird reinvestiert, der dritte dient Lohnerhöhungen. Nun können profitable Betriebe ihre Löhne erhöhen und damit auch leichter Beschäftigte unrentabler Betriebe abwerben.

Kritiker des Paktes befürchten, er könne die Privatisierung bremsen, da er den Betrieben und Belegschaften mehr Mitbestimmung einräumt, sicher ist, daß den Staatsbetrieben insgesamt bessere Bedingungen geschaffen werden im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft.

Ob der Pakt auch mehr sozialen Frieden bringt, ist indessen zweifelhaft. Viele Konflikte entstehen zwischen den zerstrittenen Gewerkschaften oder zwischen Arbeitgebern und gar nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern. Der jüngste Warnstreik in Schlesien richtete sich auch gegen eine Maßnahme, die nicht Gegenstand des Paktes ist: gegen Änderungen der Einkommenssteuer, die vom Sejm verabschiedet worden waren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen