: Gürkchen und Majo
■ Hape Kerkelings „Kein Pardon“
Ein bißchen Tradition im Namen vorneweg, was Zeitgemäßes aus den frühen Sechzigern hintendran. Der unauffällige Kleinbürgermix Hans Peter wird zusammengezogen zu Hape, Rufname für einen Wonneproppen, dessen Grinsen – ganz Honigkuchenpferd – an nichts Böses denken läßt und an keine Abgründe, nur Jux und Dollerei. Ein Klassenclown zum Knuddeln und Liebhaben, nichts anderes ist das Ziel aller Mühen.
Derlei Antrieb reicht aus für eine beachtliche Fernsehkarriere, dazu ein Talent für Kauderwelsch und Ulk und die richtige Verkleidung zur richtigen Zeit, das sich zunehmend professionalisiert – was nichts weiter meint, als daß es sich bremsen läßt, sein Timing kennt und seine Grenzen. Daraus wird dann ein Hannilein oder eine Nervensäge mit roter Kaffeemaschine oder eine Königin, die besser ist als das Original. Jede Figur kennt nur die Perspektive des Hape Kerkeling, Tischlersohn aus Recklinghausen: daran ändert sich nichts.
Der Erfolg treibt weiter, Kerkeling besingt Tonträger, Kerkeling moderiert Schlagerwettbewerbe, Kerkeling wechselt gegen gutes Geld zum Privatfernsehen. Und jetzt der Film: „Wer möchte nicht seinen Namen in dicken Lettern vor dem Kino lesen“, presseerklärt er vorab, „und vor allen Dingen sein Gesicht auf der Leinwand sehen.“ Kerkeling will und macht „Kein Pardon“.
Da fallen einem Otto ein und Loriot und ihre Nummern, die als Betthupferl gut schmeckten, auf Filmlänge aber vollends den Magen verklebten. Da hat Kerkeling aufgepaßt und einen Film bereitet mit einer Story, die hält: Als Peter Schlönzke fährt er für „Schlönzkes Schnittchen-Service“ – den „mittelständischen“ Betrieb von Mutter und Oma Schlönzke – Butterbrote aus, mit Leberwurst und Gürkchen und Majo, für Trauerfeiern und Kindergeburtstage. Doch Mutter Schlönzke aus Bottrop hat mehr vor mit ihrem Peter und schickt ihn zum Talentwettbewerb ins Fernsehen. Der kreuzbrave Sohn verliert, wird aber doch gebraucht als Kabelträger und Glückshase in der Treppenblumenkübelballett-Show „Witzischkeit kennt keine Grenzen“ mit Heinz Wäscher. Dann passiert's: Der Hase stiehlt dem Star die Show und wird entdeckt. Schlönzke ist fortan die Nummer eins und jagt im Schnelldurchlauf durch eine Showmasterkarriere mit Designer-Appartment, ChiChi-Parties und Talkshow-Auftritten. Bis auch er gefällt wird, ganz flott abserviert und wieder zurückkehrt zu Mutter und Oma und Opa Schlönzke.
Noch einmal O-Ton Kerkeling, zum Stoff: „In Deutschland ist Fernsehen die Traumfabrik. Da werden Träume produziert, und Träume sind bekanntlich Schäume. Dementsprechend sieht es hinter den Kulissen aus: nüchtern und gemein. Daraus haben wir nun eine Satire gemacht – mit sehr realen Bezügen.“ Dabei entpuppt sich der Blick hinter die Kulissen als schlichtes Schielen aus der Bottrop-Recklinghausen-Perspektive, so stellen sich Schlönzkes/ Kerkelings das Showbiz vor: Die Redakteurin der Sendung (Maren Kroymann) wandert hochneurotisch zwischen Witzischkeit und Depression; der Star (Heinz Schenk) ist ein Grinsmonster vor der Kamera, dahinter verachtet er seine Fans und geht den Mädels vom Ballett an die Wäsche; die Sekretärin (Petra Zieser) hält den Laden zusammen und serviert „Käffchen!“; Schlönzke selbst mutiert vom einfach gestrickten Muttis Liebling zum arroganten Star- Schwein und wieder zurück.
Da wäre mehr drin gewesen, in dieser Geschichte, eine bitterböse Satire auf die dreiste Welt des schönen Scheins mit all seinen Propheten. Und manchmal nähert sich der Film auch daran an: Wenn Dirk Bach als Schlönzkes Sketchpartner Hardy Loppmann mit Lockenwicklern im Haar vom Schrank springen muß und sich dabei alle Knochen bricht, nur damit der Witz zum Lacher wird; wenn Kerkeling als Uschi Blum den ganzen Femo-Schlager hochgehen läßt: „Ich bin eine Frau, und du bist ein Mann/ komm knack mich/ und back mich/ und schnapp mich“; wenn Schlönzke als Showmaster abgelöst wird von einem tumben Gör, das nicht singen will und nicht sprechen.
Doch bleibt von allem nur ein bißchen: ein bißchen böse, ein bißchen chaotisch, ein bißchen überdreht. Ein lustiger Film halt, für alle Generationen. Das ist schon eine ganze Menge, und die Figuren sind bis in die kleinste Rolle hervorragend besetzt, allen voran Anett Krusche als Schlönzke- Freundin Ulla und Bembel-Altmeister Heinz Schenk als Heinz Wäscher. Und es stimmt die Liebe zum Detail, vom Interieur der Schlönzke-Sippe bis hin zum Backstage-Pullover des Heinz Wäscher.
Nur der Titel geht weiter als der ganze Film, denn der kennt durchaus kein Pardon, weiß um seine Grenzen und will keinem was Böses. Schließlich will Regisseur, Co- Autor und Hauptdarsteller Hans Peter Kerkeling geliebt werden. Von allen. Elmar Kraushaar
Hape Kerkeling: „Kein Pardon“. Mit Heinz Schenk, Elisabeth Volkmann u.a. BRD 1992, 96 Minuten.
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