■ Press-Schlag: Das unblutige Ende von Werner Hansch
Carrrrrnevale. Andrrrea. Andrrrea Carrrrnevale. Werner Hansch war ganz verliebt in diesen Namen. Jeweils ein R drin, das kann man richtig doll rollen lassen. Und rollende Rs sind das Zeichen für perfektes Italienisch. Also hat Werner Hansch auf Sat.1 Andrrrea Carrrrrnevale gerufen, wann immer es ging am Dienstag abend. Schließlich hat er den Namen auch gerufen, wenn es nicht ging, aber das war Werner Hansch egal. Und was für ein trauriger Moment, als der Stürmer auch noch ausgewechselt wurde – gegen einen gewissen Muzzi. Muzzi! Das taugt nicht, kein R drin. Muzzi. Noch ein letztes Mal jauchzte Werner Hansch: „Carrrrnevale,auf Wiedersehn, alter Spezi!“
Früher war Werner Hansch Stadionsprecher bei Schalke 04. Stadionsprecher brauchen Pathos und Schärfe in der Stimme, das bringt die Fans in Wallung. Und Hansch war sicher ein guter. Sprecher auf Trabrennbahnen müssen sabbeln, unablässig, ohne Punkt und Komma. Goldnäschen ist vorn wird aber jetzt angegriffen von Troubadur während Seewolf versucht außen vorbeizukommen Göldnäschen immer noch Goldnäschen in der Kurve... Hansch, kein Zweifel, hat die Traber gut begleitet auf der Bahn in Dinslaken.
Und hat er nicht auch für manch gelungenen Samstagnachmittag gesorgt bei den Schaltkonferenzen im Radio? Spitzten wir nicht die Ohren, wenn es hieß, „wir geben jetzt rüber ins Westfalenstadion zu Werner Hansch“? Die Stimme aus dem Westen, „Pott-Poet“ wurde er in dieser Zeitung genannt. Jetzt aber macht Werner Hansch Fernsehen. Reden tut er, als säßen wir vorm Dampfradio. Er erzählt, was wir sehen. „Erster Ballkontakt von Sippel, er fordert den Ball, geht durch die Mitte...“ Oder er erzählt, was er will. Mihajlovic müsse sich den Ball immer auf seinen linken, den starken Fuß legen. Wir aber sehen ihn mit dem rechten schießen, einmal, zweimal, in Zeitlupe. Herrn Hansch ist das egal, er nennt uns „liebe Fußballfreunde in Deutschland“.
Was fällt ihm zu Walter Bonacina ein? „Mein Gott Walter.“ Und die Dortmunder „müssen gehen nach vorn“, einmal, zweimal, immer wieder „nach vorn“. Zu den Zuschauern: „Die Tifosi legen das Temperament einer Wanderdüne ab.“ Zum Schlußpfiff: „Ziemlich überraschend und unblutig, das Ende.“ Oder: „Die Fans halten die Bananen hoch, und wir nehmen einen Schluck aus der Pulle.“ So wird Bierwerbung anmoderiert.
Werner Hansch kommt aus Recklinghausen. Er könnte auch aus Oer-Erkenschwick kommen oder aus Waltrop. Dort, im Dortmunder Norden, sagt der Ruhr- Soziologe M.M., neigten die Leute zur ständigen Wiederholung, hätten sie den Hang zur großen Phrase.
Das ist schön am Stammtisch, im Stadion, auf der Trabrennbahn, im Radio. Da gehört Hansch hin, da kommt er gut. Auf Wiederhören, alter Spezi! Herr Thömmes
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