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Sun Jiayin löst den bösen Fluch

■ Der Große Asiatische Circus gastiert auf dem Grünenkamp mit poetische Akrobatik

Sun Jiayin löst den bösen Fluch

Der Große Asiatische Circus gastiert auf dem Grünenkamp mit poetische Akrobatik

Ihr Lächeln liegt so nah am Weinen, ihre zärtlichen Gesten sind bis ins Letzte stilisiert, sie bewegen sich mit einer Selbstverständlichkeit an der Grenze dessen, was man an menschlicher Bewegung noch für möglich halten mag. Es ist nach einer Weile kaum noch zu ertragen, wenn die drei jungen ArtistInnen, die winzige Sun Jiayin und ihre Kollegin Sung Peng und der junge brüderliche Chen Xiaojie ihre „Doppelte Pagodennummer“ vorführen, ein artistisches Stellungsspiel zu Dritt, bei dem die beiden Schlangenmädchen ineinandergestellte Schalen auf ihren Fußsohlen balancieren, während sie Chen hält, als hätte er versprochen: „Wenn ich da bin, kann euch nichts passieren.“ Die beiden Mädchen sind noch richtige Kinder.

Der Große Asiatische Circus gab am Donnerstag seine Bremer Premiere in einem Sternenzelt am Grünenkamp. Poetisch wie sonst kein Zirkus wechselten die gewagtesten Artistennummern mit märchenhaften Bildern ab, und wenn gerade noch acht junge Männer kraftvoll über- und untereinander durch die Luft schossen, so tauchten darauf sanfte Mädchen zu sanfter östlicher Musik in weiße Nebelschwaden und nur ihre balancierenden Teller auf dünnen Stäben tanzten den „Lotustanz“.

Auch Clowns gibt's im großen Asiatischen Circus Sie machen die Bremerinnen lachen — und das Lachen tut gut, denn es gibt Nummern in diesem außergewöhnlichen Programm der höchsten Preisträger, die einem den Atem rauben. Nicht so sehr deshalb, weil sie so gekonnt sind wie „Hula- Hoop“ von Zhang Yingha, die ihren Körper zwischen zwanzig Reifen windet, oder die meisterhaften Kletterer, die vier Eisenstangen fast wie Treppen begehen können. Es sind Figuren wie der unheimliche Tigermaskenmensch, ein hervorragender Artist, der mit seiner hinterhältig-melancholischen Tiermaske ein verzauberter Prinz sein könnte oder — ein Zauberer, der kindliche Gemüter in den Traum verfolgt. Es ist zum Schluß noch einmal die kleine Sun Jiayin, mit ihren „Schwebenden Teppichen“.

Sun Jiayin ist ein Wunder. Kindlich lächelnd besteigt sie ein rundes Podest, das ein Opferaltar ist. Es ist so! Nach allerlei anmutigen Spielchen wächst eine Stange mit einem Mundstück aus dem Podest. Das nimmt die Kleine in den Mund, streckt die Beine nach Oben und die Arme zur Seite, schwebt und läßt dann bunte Teppiche kreiseln, auf ihren Fußspitzen und auf beiden Händen. Schrecklich schön, als müßte sie uns alle von einem bösen Fluch erlösen. — Jeden Abend neu. Cornelia Kurth

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