: „Ich kann durch Berge und Meere gehen“
■ Ein Portrait der Schauspielerin Francesca de Martin, die im Schlachthof „Ada und das Universum“ gibt und durch Deutschland reist
Francesca de Martin (31) ist Tourneeschauspielerin. Sie reist mit ihrem Ein-Frau-Stück „Ada und das Universum“ durch ganz Deutschland. An jedem ersten Montag im Monat aber tritt sie, die italienische Bremerin, im Schlachthof auf, umgeben von ihren drei unsichtbaren Außerirdischen. Daß das heutige Auftrittdatum gerade der internationale Frauentag ist, war für sie ein geglückter Zufall. Francesca de Martin lebt mit einem ebenfalls reisenden Schauspieler und einer dreijährigen Tochter.
„Ich hasse dieses Wort Kleinkunstszene, ich kämpfe dagegen wie ein Tier. Es gibt Revue, Theater, Tanz, aber nicht diese Kleinkunst, dieses Zeitungswort, das uns freie Künstlerinnen klein machen will. Ich bin genauso professionell, wie Leute vom Staatlichen Theater. Damals, als ich noch in Italien lebte, bei Venedig, dort, wo die Berge aufhören und das flache Land beginnt, habe ich schon n Commedia del arte gespielt. Und als ich 19 war, lernte ich einen Teil der Gruppe „Fliegende Bauten“ kennen“. Die luden mich ein, mit ihnen zu spielen, sie waren meine Brücke nach Deutschland. Ich konnte kein Wort deutsch außer Scheiße, nein, ja, ich liebe dich. Aber ich war verliebt ins Schauspielen, deshalb habe ich es geschafft. Ich kann immer noch durch Berge und Meere gehen.
Seit acht Jahren bin ich alleine als Tourneeschauspielerin unterwegs, von München, nach Berlin, ins Ruhrgebiet, nach Konstanz und — durch die Provinz. Ich spiele in Top-Theater mit der besten Ausstattung und manchmal im Jugendzentrum mit zwei Scheißbirnen, die nicht funktionieren und es stinkt nach Bier, weil hier gestern Disko war. Aber mein Techniker und ich, wir gehen durch dick und dünn.
Wir kommen gegen 14 Uhr an und checken die Bedingungen der neuen Bühne. Bis 19 Uhr muß alles eingerichtet sein, Licht, Sound, die Diaprojektion für „Ada“. Das sind fünf Stunden harte Arbeit. Dann eine Stunde Pause für Essen und Entspannen, anderthalb Stunden Spiel, danach ein paar Bier in einer fremden Stadt und ab ins Bett. Doch — ich hätte schon gern feste Kontakte, in München in Berlin. Daß man so durch die Provinz tingeln muß...! Ich habe natürlich nichts gegen die Leute, und was wäre denn, wenn wir das nicht machen würden. Wir sind der Kontakt zur Kultur der Großstadt.
Heimatgefühl? Doch ich habe ein Heimatgefühl: im Bus, auf der Autobahn. Wenn ich zwei Wochen hintereinander in Bremen war, dann sehne ich mich danach. Das ist schon etwas schizophren, ich möchte festere Arbeitsbedingungen und kann doch auf das Herumziehen nicht verzichten, noch nicht. Ich kann mir vorstellen, daß man mit vierzig anfängt, die Nase zu rümpfen über so ein Leben, aber dafür bin ich noch nicht reif.
Ich bin allerdings nicht sicher, ob ich in Bremen bleibe. Die Landschaft liegt mir nicht so, die kühlen Menschen, ich kann mich nicht daran gewöhnen. Ins Rheinland würde ich gerne ziehen, aber was soll's. Man hat immer solche Träume und dann bleibt man das ganze Leben hier.
Mein Stück „Ada und das Universum“ hat Ruth Wenzel für mich geschrieben. Sie ist eine Freundin aus Hamburg und hatte mich in meinen Dario-Fo- Stücken gesehen. Ich sagte, ich hätte so gern ein Stück, was nur für mich geschrieben ist, aber in der Form wie die von Dario Fo.
Ich habe eine ganz komische Sache vor: ich will die Neuen Frauen suchen in ganz Europa und habe schon viele Briefe verschickt. Es muß sie doch geben, in Frankreich, in Spanien, ich habe soetwas gehört. Sie sind vielleicht hart, aber sie verstecken ihre Weiblichkeit nicht. Sie wollen aus dem Frauen-Theater-Ghetto heraus und ein neues Freies Theater machen. Gibt es diese Frauen? Oder bin ich 20 Jahre zu früh?
Cornelia Kurth
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen