: „Israel hat Freunde im Weißen Haus“
Ministerpräsident Rabin traf Clinton/ Strategische Zusammenarbeit bekräftigt/ Notfalls Separatfrieden mit Syrien/ Rabin will Zahl der palästinensischen Arbeiter in Israel verringern ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Es war eine durch und durch harmonische Begegnung im Weißen Haus, als sich der israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin und US-Präsident Bill Clinton am Montag zu einer ersten, dreistündigen Unterredung trafen. Auf einer anschließenden Pressekonferenz versprach Clinton, Israel bei künftigen „Friedensrisiken“ hilfreich unter die Arme zu greifen. Jeder Friedensschluß mit den arabischen Nachbarstaaten müsse mit amerikanischen Sicherheitsgarantien für Israel verbunden sein. Beide Seiten kündigten die Fortsetzung der „strategischen Zusammenarbeit“ an, die sich auch gegen den radikalen Islamismus richten soll. Rabin drückte seine Dankbarkeit darüber aus, daß die wirtschaftliche und militärische Hilfe der USA in Höhe von rund drei Milliarden Dollar wenigstens einstweilen unverändert aufrechterhalten bleiben soll. Auch die militärische Überlegenheit Israels in der Region soll erhalten bleiben.
Diese Zusagen der USA stehen in engem Zusammenhang mit Rabins Zusicherung, den Friedensprozeß im Nahen Osten voranzutreiben. „Wir haben deutlich zum Ausdruck gebracht, daß wir das Prinzip des Rückzugs der israelischen militärischen Kräfte am Golan an sichere, anerkannte Grenzen akzeptieren“, sagte Rabin. Über den Umfang des Rückzuges könne jedoch erst verhandelt werden, wenn Details über syrische Friedensvorschläge vorlägen. Bei seinen Gesprächen in Washington betonte Rabin die Notwendigkeit, möglichst bald mit der Regierung in Damaskus zur Einigung über eine friedliche Lösung zu kommen, weil Syrien der einzige Staat sei, der Israels ungeschütztes Hinterland ernstlich gefährden könne. Die Lösung der Palästinenserfrage ist in Rabins Augen demgegenüber gegenwärtig sekundär.
Clinton und Rabin riefen die Palästinenser dazu auf, an den bilateralen Verhandlungen teilzunehmen, die in der zweiten Aprilhälfte in Washington fortgesetzt werden sollen. Andernfalls, drohte Clinton, würden die USA auch einen Separatfrieden Israels mit Syrien unterstützen. Von neuen amerikanischen oder israelischen Konzessionen in der Frage der deportierten Palästinenser war nicht die Rede. Bei soviel Übereinstimmung kann Rabins Bilanz auf der Pressekonferenz kaum überraschen: ihm sei klar geworden, daß „Israel einen Freund im Weißen Haus hat“, sagte er.
Doch während der israelische Regierungschef seine Gespräche in Washington fortsetzte und mit Verteidigungsminister Les Aspin konferierte, stößt die gefestigte US-israelische Freundschaft zu Hause nicht nur auf ein positives Echo. Siedler und ihre nationalreligiösen Sympathisanten fordern in lautstarken Demonstrationen die sofortige Rückkehr Rabins und die „Bekämpfung des palästinensischen Terrors mit radikaleren Mitteln“, damit der „Verunsicherung“ der israelischen Bevölkerung durch den Friedensprozeß sofort ein Ende gesetzt wird. „Diese Leute wollen einfach alle weiteren Verhandlungen verhindern“, erklärte Gesundheitsminister Haim Ramon (Arbeitspartei) und fügte hinzu: „Ihr Ziel ist es auch, die gegenwärtige Regierung zu Fall zu bringen.“
Die Polizei hat „in Erwartung einer neuen palästinensischen Terrorwelle“ alle Einheiten bis Monatsende mobilisiert und die Militärpräsenz in den besetzten Gebieten wesentlich verstärkt. Angesichts der zunehmenden Zahl palästinensischer Überfälle auf Juden in den besetzten Gebieten und in Israel selbst wurde die Bevölkerung aufgefordert, ständig Waffen zu tragen und notfalls auch einzusetzen. Abgeordnete des Likud- Blocks bestehen darauf, daß Araber mit terroristischen Absichten „niemals lebend davonkommen dürfen“. Die Führer der jüdischen Siedler im Gaza-Streifen und in der Westbank haben beschlossen, scharf auf Palästinenser zu schießen, wenn sie des Steinewerfens verdächtig sind. Kritiker dieser Tendenz in der Regierung befürchten, daß solche Instruktionen die Spirale der Gewalt nur noch weiter anheizen, und raten dringend zu Vorsicht und Zurückhaltung. Überfälle wie die in den letzten Tagen sind ohnehin nur schwer zu verhindern, weil es sich in den meisten Fällen um palästinensische Einzeltäter handelt, die eher aus Verzweiflung heraus agieren und nicht unbedingt mit einer Organisation in Verbindung stehen.
In einem Interview mit dem israelischen Rundfunk meinte Rabin, das Problem des Terrors und der inneren Sicherheit Israels müsse in erster Linie politisch gelöst werden. Israel müsse sich von den Palästinensern in den besetzten Gebieten trennen und von den palästinensischen Arbeitskräften in Israel. „Ich kann das Ende der Attentate nicht versprechen, wenn täglich 100.000 bis 120.000 Palästinenser zur Arbeit nach Israel kommen“, sagte er. Außenminister Schimon Peres erklärte zum gleichen Thema vor der Knessetfraktion der Arbeiterpartei: „Wir stehen einem neuen Phänomen gegenüber und müssen erst lernen, wie wir damit fertig werden können. Die Öffentlichkeit muß sich in die Hand nehmen und darf nicht weiter in Hysterie verfallen (...). Unsere Antwort muß auf eine gemischte Strategie bauen: militärische Stärke ist erforderlich, aber es muß nun auch zu politischen Entscheidungen kommen.
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