Durchs Dröhnland: Treffer ohne Wirkung
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Die drei jungen Herrschaften stammen zwar ursprünglich aus San Diego, leben aber inzwischen in London. Godmachine haben den räumlichen Wechsel so intensiv vollzogen, daß sie sich jetzt als Englands Antwort auf Seattle's Grunge verstehen. Doch was an ihnen englisch sein möchte, dürfte ihr Geheimnis bleiben. Sie bevorzugen elegische Intros, einen langsam steigenden Songaufbau, schwere Rhythmen, dickblütige Romantik und schwere Steinbrocken. Doch wer die tragen kann und nur zu dritt solch brutal gute Musik macht, kann kein schlechter Mensch sein.
Am 20.30 um 22 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Kreuzberg
Psychastorm, ein Quartett irgendwo aus England, mixen funkige Rhythmen, saftige Metal- Ausflüge und sachte Reggae-Anleihen zu den allbekannten und ebenso beliebten hochmodernen Crossover-Attacken. Assoziationen: Ende der achtziger Jahre, Red Hot Chili Peppers, Fishbone, Urban Dance Squad, fußlahme Grashüpfer, Federgewicht. Damit haben sie zwar auf das sicherste Pferd gesetzt und sind ein paar Jahre zu spät angekommen, haben aber trotzdem nicht verloren. Denn Metal-Funk ist zwar überaus tot, aber bisher hat's kaum einer gemerkt, und noch hört ihn jeder gerne.
Am 20.3. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg
Need A New Drug haben sich ihren Namen zu Herzen genommen und sind auf die in den neuen Bundesländern so beliebten extremen Spielarten des Metal gestoßen. Die drei aus Dresden kommen eindeutig vom Punk und wenden nun dessen leger matschige Spielweise auf Doom-, Death-, Speed-, Trash- und Was-da- noch-so-kommt-Schnipsel an. Allerdings immer wieder aufgelockert von avantgardistisch gemeinter Monotonie, denn etwas Kunst möchte halt doch sein. Irgendwie so, als versucht sich ein Bantamgewichtler zwei Gewichtsklassen zu hoch: Die Technik ist zwar dieselbe, aber die Treffer zeigen kaum Wirkung.
Am 20.30 um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow
Wie war das mit den schwarzen Blumen, die nirgendwo so ausdauernd blühen wie in Kreuzberg? Stimmt immer noch, da ändert sich scheinbar nie was. Nur die Symbol-Figuren, die dem diffusen Wir-Gefühl, der Lebenseinstellung Kreuzberg, eine Stimme gaben, waren rar geworden. Die Einstürzenden Neubauten gingen ans staatlich subventionierte Theater, Nick Cave gar nach Rio de Janeiro, und so konnte es kommen, daß Annette Berr mit ein paar Büchern und nun zwei Platten die letzte Ausdrucks-Bastion des „Nachts sind alle Katzen breit“ (Buchtitel) ist. Inzwischen versucht sie mit ihrer zweiköpfigen Kapelle aus ehemaligen Stricher-Streitern allerdings nicht mehr als Hinterhof-Zarah-Leander durchzukommen. Auf der neuen Platte „Haus mit 13 Zimmern“ werden flottere Töne angestimmt, steht die Quetschkommode nicht mehr so im Vordergrund und wird versucht, die Instrumentierung auszudehnen. Der Wille zur Abwechslung führt allerdings fast in eine Beliebigkeit, die Berrs kantige Stimme und ihre glücklicherweise nicht betroffen triefenden Texte nur schwer auffangen können. In der Beschränkung auf Rhythmus und ein Begleitinstrument können sich diese Stärken noch am besten entfalten. Dann beschwört Berr zwar immer noch den verlogenen Mythos, aber man kann ihn akzeptieren.
Am 21.3. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36/39, Prenzlauer Berg
Uh, was für eine Geschichte! Da überlegt sich Alein Jourgensen von Ministry, daß es doch eine nette Idee wäre, als Vorgruppe für die eigene Tour eine Band aus weißen Rappern, die auch noch skaten können, zu verpflichten. Und weil es so was noch nicht gibt, ruft er ein paar Leute an, und zwei Wochen später stehen die Skatenigs auf der Bühne. Damals vor fünf Jahren hatte jemand gerade den Skate-Punk erfunden, aber leider vergessen zu erwähnen, was genau das nun sein sollte. Die Skatenigs aber gibt es immer noch. Und immer noch spielen sie einen satt stampfenden Metal, rappen recht ungeschlacht darüber, und man kann davon ausgehen, daß sie ihre Boards auch noch benutzen. Ohne diese absurde Geschichte wären die Skatenigs auch nur eine Band unter viel zu vielen anderen, und bis heute konnte sowieso nicht geklärt werden, was denn nun ausgerechnet Skateboardfahrer dazu befähigen sollte, bessere Musik zu machen als – sagen wir mal – Skiläufer, Opel-Fahrer oder Versicherungsvertreter.
Am 23.3. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Bei Test Dept wird Musik noch gearbeitet, da wird sichtbarer als irgendwo sonst, wo die Töne herkommen. Zwar mag das Konzept, Gefundenes, vor allem natürlich Schrott zur Klangerzeugung heranzuziehen, von den Einstürzenden Neubauten übernommen worden sein, aber die Londoner zerstörten konsequenter als die Berliner die herkömmlichen Songstrukturen. Es gibt Momente, da löst sich die Musik völlig auf, und es bleibt nur noch Klang. In diesen Augenblicken wird das Schauspiel auf der Bühne noch visueller, schließt sich die Verbindung zwischen Auge und Ohr. Man sieht, welcher Muskel sich im Oberkörper kontrahieren muß, um die folgende Bewegung zu erzeugen, die das Schlagwerkzeug aufs Metall führt. In den letzten Jahren sind Test Dept allerdings eingängiger geworden, singen Chöre wie aus mittelalterlichen Klöstern und wären durchaus zum Tanzen denkbar. Aber immer noch ist jeder Klang ein hartes Stück Arbeit.
Am 24.3. um 20 Uhr im SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg
Pankow aus Florenz sind eine der wenigen übriggebliebenen aus den Pioniertagen des Elekronik, als Anfang der achtziger Jahre die Bedeutung von Kraftwerk allgemein erkannt wurde. Kurze Zeit später übernahmen die synthetisch erzeugten Klänge die Charts, und die schwerblütigen Avantgardisten wie Cabaret Voltaire wurden ins Abseits gestellt. Pankow sicherten sich ihren Kultstatus mit konsequentem Festhalten an der sperrigen Form und einer winzigkleinen-netten Provokation von Zeit zu Zeit: brutale LP-Cover von Helnwein und drastisches Experimentieren mit (auch der deutschen) Sprache. Natürlich verhalten sich Pankow inzwischen zur modernen Popmusik wie ein Taschenrechner zum Cyperspace, aber genau das macht sie wieder interessant. Zurück zu den Wurzeln.
Am 24.3. um 20.30 Uhr im Loft
Noch eine krude Geschichte: Dr. Alban kam mit Anfang 20 aus Nigeria nach Schweden, studierte dort Zahnmedizin und legte nebenbei Platten auf. Als DJ beginnt der Nichtraucher und -trinker gegen die ihn umgebenden Drogen zu rappen. Nach seinem Studium vergißt er erst mal die Musik, macht mit anderen Ärzten eine Klinik in Stockholm auf, wo vor allem sozial Schwache sich behandeln lassen können. Nachdem das Projekt scheitert, beginnt er wieder frustriert mit der Musik und hat innerhalb kürzester Zeit mit „Hello Afrika“ einen europaweiten Hit. Die Grooves, die eher selten seine Raggamuffin-Vergangenheit spüren lassen, sind auf der Höhe der Zeit, sein Rapstyle konsenssicher und stets mit einem eingängigen Refrain abgesichert und die afrikanischen Anklänge zwar nicht mehr authentisch, aber immerhin unaufgesetzt. Aber vor allem versteht es Alban – ohne in der offensichtlichen Verlogenheit eines Phil Collins zu versinken – ernsthafte Texte und sein Anti- Drogen-Anliegen dahin zu bringen, wo sie am meisten Sinn machen: auf den Dancefloor.
Am 25.3. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt
Thomas Winkler
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