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Steuerfahnder: nicht für die Kleinen

■ Jährliche Beute: 15 Millionen Mark / Petzende Nachbarn interessieren nicht

„Schnüffler“? Das ist eine Beleidigung für seinen Berufsstand, findet Lutz Hoffmann, Chef der 21 Bremer SteuerfahnderInnen (darunter drei Frauen). Wenn da einer seinen Nachbarn beim Finanzamt anschwärzt, weil der einen neuen Mercedes vor der Tür stehen hat — „das wäre Schnüffelei“. Auf solche Hinweise verschwenden die BeamtInnen keine Minute, „da bräuchten wir ja tausend Leute für“.

Auf „Hinweise“ sind die SteuerfahnderInnen allerdings schon angewiesen, doch die meisten taugen nichts. Oft prahlt einer am Biertisch, wie er mal wieder das Finanzamt gelinkt habe, der Saufkumpan verpetzt ihn — und bei der Aktenprüfung stellt sich dann heraus, daß der Prahler ganz brav seine Steuern gezahlt hat.

Die einfachen LohnempfängerInnen brauchen sowieso vor der Steuerfahndung keine Angst zu haben: Wenn einer seine Privatreise als berufliche Reise bei den Werbungskosten absetzt — das müssen schon die gewöhnlichen FinanzbeamtInnen beim Überprüfen der Steuererklärungen rauskriegen. Wird der Betrug entdeckt, geht der Fall an die Bußgeld- und Strafsachenstelle.

Die Steuerfahndung hat überwiegend nur Selbständige und Gewerbetreibende im Visier. Von schwarzen Schafen erfährt man vor allem über die Betriebsprüfer, die bei Großbetrieben lückenlos die Bücher prüft, bei mittleren und Klein-Betrieben etwa alle zehn Jahre. Hat ein Betrieb besonders viele Rechnungen an einen anderen bezahlt, schauen die Steuerfahnder schon mal in den Akten des anderen nach, ob er diese Beträge auch tatsächlich als Einnahmen verbucht hat.

Vielversprechend sind auch die Hinweise von gekündigten FirmenmitarbeiterInnen zum Beispiel auf illegal Beschäftigte oder nicht versteuerte Einnahmen. Gerade die illegale Beschäftigung habe zugenommen, so die Erfahrung Hoffmanns, allerdings auch die Aufmerksamkeit für diesen Straftatbestand. Auf Subfirmen (etwa mit Reinigungskräften) richtet sich deshalb besonderes Augenmerk.

Erhärtet sich der Verdacht, beantragt die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluß. Den in der Tasche zieht der Steuerfahnder in den Außendienst. Zwar gelten SteuerfahnderInnen als PolizistInnen, also Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft, tragen aber keine Waffen. Ohnehin sind beim „Aufrollen“ großer Betriebe Polizei und AOK mit dabei. Oft „schlägt“ man an drei Orten gleichzeitig zu: versiegelt das Bankschließfach, besucht den Firmenbsitzer zuhause und läßt durch den Schlüsseldienst das Betriebstor öffnen — falls Verdacht auf Verschleierung besteht.

„Aber wir poltern natürlich nicht rein wie Schimanski“, stellt Lutz Hoffmann klar. Es gebe ja auch selten bedrohliche Situationen, eher fange die Ehefrau, die von nichts weiß, zu weinen an. „In der Regel fühlen sich die Betroffenen ertappt und reagieren nicht mit Wutausbrüchen.“

Oft haben die FinanzbeamtInnen anschließend Berge von Akten zu durchforsten. Kein Wunder, daß sie „nur“ 10 bis 15 Fälle pro Jahr erledigen können — das allerdings bringt rund 15 Millionen Steuernachzahlung jährlich ein. Ein paar mehr MitarbeiterInnen könnte man schon noch gewinnbringend beschäftigen, meint der Leiter der Steuerfahndungs-Abteilung.

Christine Holch

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