: Ufa-Mythos als Werbegag
■ Entwürfe für "Moderne Medienstadt" auf dem ehemaligen Defa-Gelände in Babelsberg präsentiert / Schlöndorff bemüht Traditionen der zwanziger Jahre
Potsdam. Auf dem einstigen Defa-Filmgelände in Potsdam-Babelsberg soll ab 1994 eine neue Filmstadt entstehen. Volker Schlöndorff und Pierre Couveinhes, Geschäftsführer der „Studio Babelsberg GmbH“, stellten gemeinsam mit Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe und dem Potsdamer Leiter des Amtes für Stadtentwicklung, Richard Röhrbein, gestern fünf Entwürfe für eine „moderne Medienstadt“ vor.
Fünf Architekten, die in einem Workshop zusammenarbeiteten, – darunter die Teams Hilmer & Sattler aus München, Jean-Paul Viguier, Paris, und Suter & Suter aus Basel – planen auf dem Standort an der Thälmann-Straße ein Hochhauszentrum, eine Hotel- und Gaststätten-City, ein Parkchen zum Erholen, Sträßchen zum Bummeln und Film- und Fernseh- Ateliers, Sendesäle des ORB inclusive Unterrichtsräume für die Filmhochschule.
Die fünf Vorschläge „bilden die Grundlage der weiteren Arbeit für einen endgültigen Entwurf“, sagte Volker Schlöndorff. „Die besten Ideen sollen zu einer Synthese werden“. Ende April könnten die fertigen Pläne auf dem Tisch liegen. Noch in diesem Jahr werde für die bauliche Collage das Bebauungsplanverfahren angestrengt, versicherte Pierre Couveinhes. Das rund zwei Milliarden Mark teure Projekt werde „in Etappen realisiert“. Mit dem ersten Bauabschnitt könne aber bereits 1994 begonnen werden, so Couveinhes. Die neue Medienstadt gebe dem Standort Babelsberg wieder seine eigentliche nationale Bedeutung als Produktionsstätte des Films zurück, merkte Manfred Stolpe an. Moderne Industrien, Medien und Kultur fänden hier zu einer neuen Einheit.
Die neue Medienstadt Babelsberg soll nach den Vorstellungen Volker Schlöndorffs auf den Traditionen und dem Ufa-Mythos der zwanziger und dreißiger Jahren aufbauen. Die Pläne für High- Tech-Studios und zur audiovisuellen Kommunikation müßten sich in der „Größenordnung der Entwürfe eines Murnau oder Fritz Langs“ bewegen. Man müsse „groß denken“. National-Schlöndorff: „Schon zur Zeit Goebbels gab es den Plan, hier eine Filmstadt zu bauen. Ein Teil der Gebäude ist errichtet worden. Die wollen wir erhalten und umformen. Die Kohabitation funktioniert.“ Denkmal- und Bewahrenswertes aus DDR-Zeiten gäbe es nicht.
Von der heroischen Filmstadt indessen ist kaum etwas geblieben. Ein Viertel der Studios sei nicht mehr nutzbar. Rund fünfzig Prozent der Hallen sind in mangelhaftem Zustand, vieles müsse abgerissen werden. Derzeit produziere man gerade mal achtzehn Filme, ergänzte Schlöndorff.
Im nächsten Jahr stehen Streifen wie „Die unendliche Geschichte. Teil 3“ und „Katharina II.“ an. Die einst berühmten Werkstätten hielten sich mit Fremdaufträgen über Wasser. Die „große Vision“ scheint gerade recht für das Billig-Programm baulicher Mega-Kulissen und filmischer Meterware. Das Medienzentrum etwa von Volode & Pistre gleicht gigantischen Horrorszenarien, die das Studiowäldchen himmelhoch überragen. Patrice Novarinas Bauten erinnern an die Filmarchitekturen aus „Blade Runner“.
Die Planungen spiegeln nicht die filmischen Chiffren der Illusion, sondern sie wirken wie aus Versatzstücken des Mediums zusammengefummelt für Büro- Städte im internationalen Congreß-Hallen-Charakter.
Die Zukunft in Babelsberg gehört darum den „Bürohaussendern“ wie Sat.1, RTL, Bertelsmann oder Schamoni TV. Sie wollen „Skyline-Visionen und Symbolgebäude in Breitwand“, so Schamoni. Das Babelsberger Studio wird keine Cinecittà und keine Traumfabrik. Es wird, so der Bertelsmann/Ufa-Chef Rohloff: „Dienstleistung rund um die Uhr“ mit Werbefilmen, Industriefilmen, Multimedia-Anwendungen, Computeranimation ... Cut! Rolf Lautenschläger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen