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Israel verstärkt seine Polizeikräfte

■ Ruf nach mehr Sicherheit/ Wachsender palästinensischer Widerstand

Tel Aviv (taz) – Die israelische Bevölkerung fühlt sich angesichts des wachsenden Widerstandes der Palästinenser gegen die Besatzung verunsichert. Der Ruf nach mehr „Sicherheitsmaßnahmen“ wird lauter. Doch auch der neue Regierungsbeschluß über eine zehnprozentige Verstärkung von Polizei und Grenzschutz in den besetzten Gebieten wird diesen Ruf kaum zum Verstummen bringen.

Ministerpräsident Jitzhak Rabin betonte nach seiner Rückkehr aus Washington, daß es keine „Wundermittel“ gegen den Widerstand gebe und die israelische Bevölkerung „lernen muß, mit dem Terror zu leben“, solange es noch keine politische Lösung gibt. „Auch mit der größeren Polizeimannschaft werden wir keine absolute Sicherheit garantieren können“, erklärte Polizeiminister Mosche Schachal (Arbeitspartei). Er rief die jüdische Bevölkerung auf, sich massenhaft bei der Bürgerwehr zu melden, einer Freiwilligenorganisation unter der Leitung von Polizisten, der bereits rund 40.000 Israelis beigetreten sind. Ihre Mitglieder patrouillieren nachts in israelischen Städten und Dörfern und in den jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten.

Das Kabinett beschäftigte sich am Sonntag vor allem damit, wie den vereinzelten, aber beinahe täglichen Angriffen von Palästinensern auf Israelis begegnet werden soll. Rechtsoppositionelle Gruppen und Siedler verlangen härtere kollektive Strafmaßnahmen gegen die palästinensische Bevölkerung. Einige Minister warnten vor dem Überhandnehmen rechtsextremer Parteien und bewaffneter Siedlergruppen, die immer häufiger auf eigene Faust und mit Waffengewalt gegen Palästinenser sowie deren Eigentum vorgehen.

Auf der Tagesordnung der Regierung stand erneut die Frage der Zukunft des Gaza-Streifens. Im Rahmen der jüngsten „Aussperrung“ palästinensischer Arbeiter aus Israel stellten die Minister des linksliberalen Meretz-Blocks einen Plan vor, der die Verdienstmöglichkeiten wenigstens eines Teils der männlichen Bevölkerung im Gaza-Streifen selbst sichern soll. Bis zu 20.000 vor allem jüngere Arbeitslose könnten im Gaza- Streifen Anstellung finden, wenn ca. 300 Mio. Dollar für öffentliche Arbeiten und Wohlfahrtseinrichtungen aufgewendet werden könnten. Das käme auch Rabins Vorschlag entgegen, die Arbeit palästinensischer Tagelöhner aus dem Gaza-Streifen in Israel drastisch einzuschränken, weil so die Gefahr des „Einschleusens von Terroristen“ reduziert werden könne.

Nach Angaben israelischer Militärsprecher wurden im Lauf der letzten Woche in Khan Yunis, im südlichen Gaza-Streifen, 6 Palästinenser von israelischen Soldaten getötet und 231 verletzt. Am Sonntag wurden bei Demonstrationen in Khan Yunis ein 12- und ein 24jähriger Palästinenser erschossen, und 19 andere palästinensische Einwohner erlitten Schußwunden. Bei Angriffen bewaffneter Palästinenser kamen in den besetzten Gebieten am Wochenende zwei israelische Soldaten ums Leben, und unter den Siedlern wurde wieder der Ruf nach Racheakten und schärferem Militäreinsatz laut. Rechte Oppositionsparteien haben demonstrative Anträge für ein Mißtrauensvotum gegen die Regierung gestellt, die gestern von der Koalitionsmehrheit in der Knesset abgelehnt wurden.

Kurz vor der Parlamentsdebatte drang ein Palästinenser aus dem an Jerusalem angrenzenden Dorf Jaber Mukaber in den Hof einer bewachten Gewerbeschule im Westjerusalemer Industrieviertel Talpiot ein und verwundete fünf Schüler sowie den Schuldirektor mit einem Messer. Der Angreifer wurde zu Boden geworfen und beinahe gelyncht, wobei er schwere Verletzungen erlitt. Amos Wollin

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