: Israels neuer Präsident populär bei den Arabern
Ezer Weizman gestern von der Knesset zum Staatspräsidenten gewählt/ Seit 1987 befürwortet er direkte Friedensverhandlungen mit der PLO ■ Von Amos Wollin
Tel Aviv (taz/AP) – „Nichts trägt mehr zur Verteidigung des Landes bei als der Frieden. Wir haben eine der besten Armeen der Welt. Wovor zum Teufel haben wir eigentlich Angst?“ Mit diesen Worten verteidigte Ezer Weizman vor einigen Jahren die Auffassung, Israel müsse endlich mit der PLO verhandeln. Diese Position kostete ihn damals seinen Ministerposten. Gestern wählte die Knesset Ezer Weizman zum siebten Präsidenten des Staates Israel.
Weizman war der Kandidat der regierenden Arbeitspartei und ihres linksliberalen Koalitionspartners Merez, sowie der kleinen, friedensorientierten Oppositionsparteien. Die rechte und religiöse Opposition hatte den ehemaligen Knesset-Vorsitzenden und Rechtsanwalt Dov Schilansky als Gegenkandidaten aufgestellt, der im europäischen Ausland vor allem wegen seiner Vergangenheit als rechtsextremer Terrorist und strikter Gegner jeglicher Kontakte mit dem heutigen Deutschland bekannt ist. Bei einer Enthaltung erhielt Weizman 66, Dov Schilansky 53 der insgesamt 120 Stimmen.
Ezer Weizman ist der 69jährige, in Tel Aviv geborene Neffe des ersten israelischen Staatspräsidenten Chaim Weizman. Während des Zweiten Weltkrieges meldete er sich zum Dienst als Kampfflieger in der britischen Luftwaffe. Politisch neigte er damals dem rechtsextremen aktionistischen Flügel der zionistischen Bewegung zu. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges schloß er sich Menachem Begins terroristischer Untergrundbewegung Ezel an. Der Mitbegründer der israelischen Luftwaffe wurde 1956 schließlich zum ihrem Kommandanten ernannt und 1966 zum Chef der Generalstabsabteilung, die den spektakulären Blitzsieg über die ägyptische Luftwaffe im Juni 1967 vorbereitet hat.
Im Jahre 1969 beendete Weizman seine militärische Laufbahn und wurde Transportminister für die Gahal-Partei, die Vorläuferin des Likud, in der ersten „nationalen Einheitsregierung“. Geführt von Menachem Begin, trat diese Partei bereits im Jahre 1970 aus der Regierung aus und bereitete sich in der Opposition auf eine Machtübernahme vor. Weizman verband damals eine erfolgreiche private Geschäftskarriere mit den Aufgaben eines führenden Likud-Politikers. Bei der Rechten höchst populär und als tüchtiger Organisator bekannt, gelang es ihm 1977, den ersten großen Wahlsieg der Begin- Partei zu sichern.
Weizman, zu jener Zeit ein ausgesprochener Falke, wurde in Begins erster Regierung Verteidigungsminister. Aber im Zuge der Friedensverhandlungen mit Sadats Ägypten und der Entwicklung vertraulicher, persönlicher Kontakte mit ägyptischen Führern verwandelte sich Weizman relativ rasch in eine prominente „Taube“; sein Einfluß auf Begin vor allem in der letzten Phase der Camp-David- Gespräche war für den ägyptisch- israelischen Friedensschluß mitentscheidend.
Diese erstaunliche und für einen zionistischen Führer höchst seltene Metamorphose vom rechtsextremen „Draufgänger“ zum dezidierten Verfechter des Friedens mit allen arabischen Nachbarn, und vor allem mit den Palästinensern, brachte Weizman sehr bald in schwere Konflikte mit „seinem“ Likud. Im Mai 1980 verließ er die Begin-Regierung und wurde bald danach aus der Partei ausgeschlossen.
Mit einer 1984 gegründeten eigenen Partei „Yahad“ schloß sich Weizman bald Peres Arbeitspartei an, deren Wahlkampf er 1988 leitete, um anschließend in der zweiten Regierung der nationalen Einheit (Arbeitspartei-Likud) Wissenschaftsminister zu werden. Im Januar 1990 kam es schließlich zum Skandal: der damalige Ministerpräsident Schamir beschuldigte ihn, Geheimkontakte zur PLO zu haben. Wahr ist, daß Weizman der erste Arbeitspartei-Knessetabgeordnete war, der bereits im Jahre 1987 direkte Friedensverhandlungen mit der PLO forderte. Vier Jahre später gab Weizman seine Bedingung für eine weitere Unterstützung der Arbeitspartei bekannt: Bereitschaft zur Rückgabe des Golan für Frieden mit Syrien.
Enttäuscht über den Verlauf der Nahostgespräche zog er sich vor etwa einem Jahr aus dem aktiven parteipolitischen Leben zurück, nahm allerdings schon damals den Vorschlag der „Tauben“ an, bei den nächsten Präsidentenwahlen zu kandidieren. Der im arabischen Lager ungewöhnlich populäre Ezer Weizman könnte als Staatspräsident eine bedeutende Rolle im Friedensprozeß übernehmen. Die Funktionen des Präsidenten in Israel sind zwar vor allem repräsentativer Art. Aber eine charismatische, eigenwillige Persönlichkeit wie Weizman kann das Prestige dieses Amtes konstruktiv nutzen, vor allem bei kritischen Entscheidungen, die von Israel und seinen arabischen Nachbarn gefordert sind, wenn es je zu einem umfassenden Frieden im Nahen Osten kommen soll.
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